Wirtschaft

Bayern ist in Brüssel mit seiner Vertretung gleich neben dem Europaparlament schon gut repräsentiert. (Foto: dpa/Matthias Schrader)

25.01.2019

Brüssel soll bayerischer werden

Was das Jahr 2019 für Europa bedeutet

Bayerns Wirtschaft braucht Europa: Unter diesem Motto stand der Jahresauftakt der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) in Brüssel, der alle Jahre zu Jahresbeginn bei einem Weißwurstfrühstück in der Brüsseler Vertretung der bayerischen Staatsregierung stattfindet. „Wie wichtig die EU für Bayern ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass der neue Leiter der Staatskanzlei, Florian Hermann, Staatsminister für Europaangelegenheiten ist“. Darauf wies vbw-Chef Bertram Brossardt hin. „Wir sind klar europäisch eingestellt“.

Künftig könnte Brüssel bayerischer werden, sollte der Niederbayer und CSU-Vize Manfred Weber (46) Chef der neuen EU-Kommission werden. Die Chancen dafür sind nicht schlecht, denn die Delegierten der europäischen Volkspartei (EVP), zu der die CSU gehört, wählten den derzeitigen Europaabgeordneten und EVP-Fraktionschef im Dezember zum Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019 und für das mächtige Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Und es ist wahrscheinlich, dass die EVP-Fraktion wieder die größte politische Gliederungseinheit im Vielvölkerparlament wird, auch wenn, wie erwartet, mehr Populisten ins Vielvölkerparlament ziehen.

„Brüssel muss bayerischer werden“, sagte der langjährige CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, der seit 1994 im EU-Parlament sitzt und sich im Mai wieder der Wahl stellt. „Was für Bayern gut ist, ist für Brüssel nicht schlecht“

Europawahl: vbw will Kampagne starten

Dafür, dass die Bayern zur Europawahl gehen, will der vbw eine Kampagne starten, vor allem im bayerischen Rundfunk. Zehn Veranstaltungen sind geplant. Denn die Wahlbeteiligung in Bayern ist schwach. Laut Angaben des bayerischen Statistikamts lag sie bei der letzten Europawahl 2014 bei 40,8 Prozent. 2009 waren es noch 42,3 Prozent. 5,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger hatten von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht. „Wir wollen die breite Öffentlichkeit erreichen, müssen dabei aber vorsichtig vorgehen, weil wir Wirtschaftsinteressen vertreten“.

Die Zusammensetzung des EU-Parlaments habe Auswirkungen auf die EU-Politik, sagte Ferber. „Europakritische Kräfte stellen die EU infrage. Wir bekommen am Beispiel Großbritannien in Brennglas vorgeführt, wohin das führen kann.“

Bayern ist älter als die EU. Letztes Jahr feierte der Freistaat sein hundertjähriges Bestehen; die EU ist gerade einmal 62 Jahre alt. Für Bayerns Wirtschaft ist Brüssel wichtig, denn hier haben mehr als drei Viertel aller deutschen Gesetze ihren Ursprung. Und offensichtlich sind die Wege hier kürzer als in Berlin.

Es steht viel auf dem Spiel

Für Bayern steht 2019 viel auf dem Spiel. „Das Jahr der Europawahl 2019 wird für die EU ein Jahr der Weichenstellung. Der Handelsstreit mit den USA erfordert die Geschlossenheit und starke Stimme Europas für die notwendige Verhandlungsmacht“, so Brossardt. „Es muss außerdem die Lehre aus dem Brexit gezogen werden: Wir brauchen eine geschlossene EU, die sich ihrer Werte und Ziele bewusst ist. Vorgänge, wie wir sie derzeit in Großbritannien erleben, dürfen sich nicht wiederholen.“

Die Notwendigkeit für „mehr Europa“ sieht die vbw bei der Vollendung des Binnenmarkts. „Dies zeigt schon die Tatsache, dass 56 Prozent der bayerischen Exporte in die EU gehen. Umgekehrt brauchen die bayerischen Unternehmen Vorleistungen aus dem europäischen Ausland“, so Brossardt.
Besorgt äußerte sich Brossardt über die Wachstumsaussichten und den Zustand der Autoindustrie, wo in Bayern immerhin 12 Prozent von Bayerns Wirtschaftsleistung erwirtschaftet werden und eine halbe Million Menschen arbeiten. „Es wird immer schwieriger zu wachsen“.

Die vbw setze deshalb auf die Digitalisierung. Dafür müsse der digitale Binnenmarkt weiterentwickelt werden. Sie sei der Wachstumsmotor. Viele Maßnahmen der EU gingen hier in die richtige Richtung, zum Beispiel die Investitionspläne zur Stärkung der Künstlichen Intelligenz, die Anreize für zusätzliche Investitionen in den Ausbau von Kommunikationsnetzen und die Förderung europaweit einheitlicher Standards zur Cybersicherheit.

Nicht einseitig "mehr Europa" verfolgen

Brossardt warnte aber davor, einseitig das Ziel „mehr Europa“ zu verfolgen: „Dort, wo mehr Bürokratie, mehr Steuern und mehr Umverteilung zu Lasten Deutschlands und unserer Unternehmen drohen, dürfen wir diesen Weg nicht mitgehen.“ Besonders kritisch sieht die vbw Bestrebungen, die Sozialpolitik auf EU-Ebene zu regeln. „Nach dem Subsidiaritätsprinzip ist die Beschäftigungs- und Sozialpolitik Sache der Mitgliedstaaten – und sie muss es auch bleiben“, sagte Brossardt. Die vbw lehnt insbesondere die Forderungen nach Einführung eines europäischen Mindestlohns und einer europäischen Arbeitslosenversicherung strikt ab. „Beides ist teuer und ineffektiv. Die europäische Arbeitslosenversicherung würde manche Staaten dazu verleiten, ihre Reformbemühungen wieder zurückzufahren.“

Für weniger Bürokratie tritt auch der EU-Kommissionspräsidents-Kandidat Manfred Weber ein. Er predigt seit Jahren, dass die EU-Politik von der angeblichen Macht der EU-Bürokraten wegkommen muss. 2019 wird zeigen, ob Bayerns Wirtschaft mit mehr Schützenhilfe aus Brüssel rechnen kann. Die vbw, die nach Angaben von Brossardt „wächst und gedeiht“, würde das wohl sehr begrüßen.
(Rainer Lütkehus)

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