Pferdeäpfel kann man auf den Misthaufen kippen – oder man produziert damit Strom und sogar Wärme. In der Gemeinde Reichersbeuern (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) hat man den symbolischen Gockel tatsächlich von seinem Stammplatz vertrieben und im Industriegebiet eine hochmoderne Pilot-Biogasanlage zur Pferdemistvergärung errichtet. Seit März dieses Jahres ist die Anlage voll in Betrieb, aus dem Pferdemist von 15 000 Pferden der Region wird Biogas und damit Strom erzeugt.
Die Energiewende Oberland, eine Bürgerstiftung, die bis 2035 in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetzen will, stellte das Pilotprojekt jetzt anlässlich seines fünften Bioenergietags vor. Mit etwa zehn Millionen Kilowattstunden wird es zukünftig den Energiebedarf von etwa 2860 Haushalten jährlich decken.
Auf dem Betriebsgelände bekamen die Teilnehmer des Bioenergietags die Gelegenheit zu einer Führung durch die Biogasanlage vom Typ Coccus Titan 1200, 1,2 Megawatt. Sie ist im Besitz der Bioenergie Reichersbeuern GmbH und dient der Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz. In Zukunft ist zudem eine Nutzung der Abwärme der Anlage für das geplante Gewerbegebiet vorgesehen. Laut Hersteller und Betreiber, die Firma Schmack Biogas GmbH aus Schwandorf, einer Tochterfirma der Viessmann Group, ist es sogar möglich, die Abwärme in Fernwärme umzuwandeln und damit einen Teil des Wärmebedarfs in den umliegenden Gemeinden abzudecken.
Im Vorfeld zur Baumaßnahme hatte es einige Vorbehalte aus der örtlichen Landwirtschaft gegen die Pferdemistvergärungsanlage gegeben. Vor allem gab es Ängste vor einer möglichen Verteuerung der Pachtflächen, da die Landwirte befürchteten, dass Maisanbau als Rohstoff für die Biogasherstellung im großen Stil betrieben werde. Doch die Anlage ist auf einen Anteil von Pferdemist von etwa 70 Prozent eingestellt, so werden dort jährlich 14.000 Tonnen Pferdemist, 4000 Tonnen Rindergülle, 6500 Tonnen Grassilage (in der Regel Landschaftspflegematerial, Kleegras, Zwischenfrüchte) verarbeitet. Maisanbau zur Gewinnung eines Rohstoffs sei nicht vorgesehen, eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion sei somit ausgeschlossen.
Pferdemist stammt von 25 Reiterhöfen
Der Pferdemist stammt von 25 Reiterhöfen und weiteren Pferdehaltern im Umkreis von etwa 30 Kilometern. Die Logistik wird von einem Unternehmen mit Abroll-Containern organisiert, sodass durch die nun zusätzlichen „Pferdemistfahrten“ bisherige LKW Leerfahrten minimiert und bestenfalls vermieden werden können. Bei Reiterhöfen mit etwa 65 Pferden ist eine Abholung alle drei bis vier Wochen notwendig.
In der Anlage wird der Pferdemist dann mit einem speziellen Verfahren einsiliert, was seinen Trockensubstanzgehalt senken und damit die anschließenden Substratzufuhr und anschließende Vergärung erleichtern soll. Er kann damit effizienter in die Anlage eingebracht und verwertet werden. Im Vergleich zu konventionellen Biogasanlagen ist in Reichersbeuern eine hochtechnologisierte Fördereinrichtung im Einsatz, die auch Störstoffe wie beispielsweise Hufeisen aussondert. Im Annahmedosiersystem wird der Pferdemist so aufbereitet, dass dieser gut in der Anlage vergoren werden kann. Eine weitere Besonderheit der Anlage – neben dem Substrat Pferdemist – besteht darin, dass sie als Rezirkulationsanlage gebaut ist, das heißt die flüssigen Substrate wie Rindergülle verbleiben länger im Fermenter. Zwar erhöht dieses den Eigenstromverbrauch und beansprucht die Rührwerke stärker, jedoch ist es für den Betrieb vorteilhaft, da sich die Kosten für An- und Abfahrt von Flüssigkeiten reduzieren lassen. Somit wurde in der Planung bereits auf eine effiziente und nachhaltige Betriebsweise geachtet.
„Bioenergieregion Oberland“
Gefördert wurde das Vorhaben über das Projekt „Bioenergieregion Oberland“ des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, einem Vorhaben zum Aufbau regionaler Strukturen im Bereich Bioenergie mit dem Ziel, funktionierende Netzwerke zu etablieren. In der sechsjährigen Laufzeit sind etliche Biomasseheizkraftwerke im Alpenvorland wie eben die Biogasanlage Reichersbeuern entstanden.
Die Schmack Biogas GmbH, Schwandorf, ist Pionier der Biogasbranche und einer der führenden deutschen Anbieter von Biogasanlagen. Seit 1995 setzt das Unternehmen den Standard für Biogasanlagen mit hoher Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Die Produktpalette umfasst Anlagensysteme im Leistungsbereich von 50 kW bei Kompaktanlagen bis hin zur 20 Megawatt Gaseinspeisungsanlage. Weltweit wurden über 400 Anlagen errichtet. Seit Januar 2010 ist Schmack Biogas ein Unternehmen der Viessmann Group.
Das Leistungsspektrum umfasst die gesamte Biogas-Wertschöpfungskette: von der Projektentwicklung über das Engineering bis hin zu Rohstoffmanagement und Betriebsführung. Schmack Biogas zählt damit zu den wenigen Komplettanbietern der Branche. Schwerpunkt ist neben der technischen Unterstützung ein umfassender mikrobiologischer Service. Ein eigenes Forschungs- und Entwicklungslabor dient der Identifikation und Hebung von Effizienzpotenzialen im Bereich der Prozessbiologie. Für seine innovativen Technologien und Prozesse ist Schmack mehrfach ausgezeichnet worden.
Mit Systemlösungen für die Nass- und Trockenfermentation deckt Schmack Biogas den kompletten Bereich der Vergärungstechnologien ab.
Hohe Flexibilität und Betriebssicherheit
Bei der Nassvergärung kommen Energiepflanzen sowie organische Reststoffe aus Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie als Substrat zum Einsatz. Schmack Biogasanlagen zeichnen sich durch hohe Flexibilität und Betriebssicherheit aus. Unter Verwendung hochwertiger Komponenten aus eigener Fertigung, insbesondere in den Schwerpunktbereichen Rühr- und Beschickungstechnik, bietet Schmack verfahrenstechnisch und energetisch optimierte Systemlösungen.
Darüber hinaus bietet Schmack Biogas die BIOFerm Technologie der Trockenfermentation für nicht pumpfähige Einsatzstoffe an. Bei diesem Verfahren werden biogene Reststoffe (zum Beispiel kommunaler Bioabfall, Reststoffe aus der Landwirtschaft und Landschaftspflege) energetisch verwertet. Die Ansprüche an das Ausgangsmaterial sind äußerst gering, eine Vorbehandlung der Biomasse ist nicht erforderlich.
Schmack ist auch auf den internationalen Märkten tätig. Mit Schmack Biogas Srl in Bozen und BIOFerm Energy Systems in Madison/Wisconsin verfügt das Unternehmen über eigene Tochterfirmen in Italien bzw. den USA.
Als erstes Unternehmen in Deutschland entwickelte die Schmack Carbotech GmbH, Essen, Technologien und Prozesse zur Biogas-Aufbereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz. Neuestes Produkt ist die besonders energieeffiziente Niederdruck-Druckwechseladsorption (LPSA). Im Vergleich zur konventionellen Druckwechseladsorption (PSA) benötigt dieses Verfahren etwa 25 Prozent weniger Strom.
(Sabrina Schwenger)
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