Netzausbau und Umspannwerke fehlen. Aber es müssten auch viel mehr Stromspeicher werden, so Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Doch es mangele an Anreizen, solche zu errichten, erklärte er anlässlich der Inbetriebnahme des zurzeit größten Stromspeichers in Bayern, im mittelfränkischen Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim.
Dieser steht in Diespeck, sein Beinahezwilling im unterfränkischen Iphofen (Landkreis Kitzingen). Beide befinden sich in der Nähe regionaler Umspannwerke. Gleich zwei Stromspeicher mit zusammen 46,8 Megawattstunden (MWh) Kapazität hat die österreichische Verbund AG in Nordbayern errichten lassen. Der Energiekonzern aus dem Alpenstaat hat für seine Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich keinerlei öffentliche Fördermittel bekommen. Die Verbund AG musste sogar an den örtlichen Verteilnetzbetreiber einen siebenstelligen Eurobetrag als gesetzlich vorgesehenen „Baukostenzuschuss“ überweisen. Dennoch sind die Projekte nach Aussage des Verbund-Vorstandschefs Michael Strugl „wirtschaftlich selbsttragend“.
Speicher statt Netzausbau
Der Grund dafür ist im deutschen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zu finden. Das erlaubt Netzbetreibern zwar, Speicher dort zu errichten, wo ansonsten der Netzausbau notwendig wäre. Aber um überschüssigen Wind- oder Solarstrom günstig einzukaufen und bei Mangellagen teurer abzugeben, das erlaubt das EnWG den Netzbetreibern nicht. Genau darauf aber baut das Geschäftsmodell des Verbund-Konzerns.
Deshalb sind die beiden Speicher in Franken auch nicht die ersten, die die Verbund Energy4Business GmbH mit Sitz in München in Deutschland finanziert hat – aber zumindest in Bayern bislang die insgesamt größten. Jeweils sechs Container stehen nun an beiden Standorten, vollgepackt mit Lithium-Ionen-Akkus. Allein die in Diespeck gespeicherten 24 MWh Strom reichten laut Landrat Helmut Weiß aus, um alle Haushalte des Kreises eine Stunde lang zu elektrisieren.
Doch die Österreicher nutzen weniger diese theoretische Versorgungsmöglichkeit als die Leistungsabgabe des Speichers: 21 Megawatt (MW) kann dieser bei Bedarf sofort ins Stromnetz abgeben. Beispielsweise, wenn die Netzfrequenz absinkt, oder wenn sich Spitzen beim momentanen Börsenstrompreis abzeichnen. An diesem „Spotmarkt“ gibt es bei hohem Strombedarf und wenig Lieferung durch die volatilen Wind- und Solarkraftwerke gute Verdienstmöglichkeiten.
Geladen werden die Batteriemodule, indem sie Stromüberschüsse abfangen, zum Beispiel von Solarkraftwerken. Gerade in Franken müssen die oft in der Mittagszeit abgeregelt werden. Nun sollen die Speicher auf den Überschuss zugreifen, zu möglichst niedrigen Börsenpreisen.
Von China abhängig
Geliefert hat die Speichersysteme die Eco Stor GmbH aus Kirchheim bei München. Geschäftsführer Georg Gallmetzer zur verwendeten Technik: „Das sind Lithium-Ionen-(LiIon)-Akkus, ähnlich wie in Elektroautos.“ Das 2021 gegründete Start-up-Unternehmen gehört inzwischen zur norwegischen Energiegruppe Å Energi. Deren Vorstandschef (CEO) Steffen Syvertsen verriet den zahlreichen Gästen der Inbetriebnahmefeier in Neustadt an der Aisch, Å Energi sei gerade in Skandinavien dabei, eine „Mega-Factory“ für Batteriesysteme zu errichten.
Denn derzeit sei Europa wie bei vielen anderen Technologieprodukten und Rohstoffen abhängig von China und Asien. Deshalb plant das Unternehmen, seine Fabrik in einer Art Kreislaufwirtschaft zu betreiben. Alte LiIon-Auto-Akkus werden recycelt und neue daraus hergestellt, heißt es. Noch aber verwendet Eco Star Batterien aus Asien. In Diespeck stammen diese von Samsung, in Iphofen kommen sie von LG.
Auch wenn stationäre Stromspeicher im Vergleich zu E-Auto-Akkus ein Schattendasein führen – laut Gallmetzer wurden 2022 hierzulande nur 500 MWh Batteriekapazität in stationären Anwendungen verbaut, aber 30.000 MWh in Fahrzeugen – setzt der Eco-Star-Geschäftsführer auf baldigen Speicherdurchbruch. Den erwartet Helmut Weiß (CSU), Landrat des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim gerade für den ländlichen Bereich. Denn hier seien die Netze nicht ausgelegt für eine Vervierfachung an Windkraftwerken. Dies sieht Weiß allein in seinem Landkreis kommen, wenn das gerade in Kraft getretene Wind-an-Land-Gesetz greife.
Eco Star will an der Entwicklung natürlich teilhaben wie die „Mutter“ Å Energi. Hoffnung macht da auch die Aussage von Verbund-Chef Strubl, der „1000 MW bis 2030, mindestens 100 MW Speicher jedes Jahr“ allein in Deutschland bauen lassen will. „Wir können es uns gar nicht leisten, mögliche Ökostromerzeugung nicht aufzunehmen“, redet Strubl der verantwortlichen Politik ins Gewissen.
Bei Wirtschaftsminister Aiwanger rennt er damit offene Türen ein. Neben dem Ausbau der Verteilnetze mangelt es für ihn bei der Energiewende ganz „arg an Anreizen, Stromspeicher zu errichten“. Und so sah Aiwanger mit dem Inbetriebnahme- „auch einen Türöffnertermin“, um die von ihm versprochenen „mehrere 100 neuen Windräder und Tausende Hektar Photovoltaik in die Netze zu kriegen“: neben Netzausbau mit Batteriespeichern.
Speicher privilegieren
Bislang aber ist die Situation so: Verteilnetzbetreiber wie die in Franken tätige N-Ergie AG dürfen selber keine errichten. Das möchte Aiwanger zum Beispiel lösen durch eine Privilegierung von Speichern, wie sie das EnWG bereits für andere Systeme vorsehe. Außerdem „sollen alle Beteiligten etwas davon haben“. Denn obwohl die Verbund-Tochter mit dem Ein- und Ausspeichern von Ökostrom Gewinn machen will, bekommen die Standortgemeinden keine Gewerbesteuer ab. Dazu will Aiwanger „alle Beteiligten an einen Tisch bringen“. Was sicher auch die örtlich verantwortlichen Bürgermeister freuen würde.
So gibt Diespecks Ortschef Christian von Dobschütz (CSU) zu, er vermisse bislang das Bewusstsein aufseiten der überregionalen Politik: „Wir setzen die Energiewende hier um. Und die Themen sind vor Ort zu lösen.“
Könnte der Umstieg auf Sonne und Wind womöglich leichter klappen mit der Möglichkeit, Gewerbesteuer zu kassieren?
(Heinz Wraneschitz)
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