Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Zwar ist es seit den Bauernprotesten 2024 ruhig geworden. Doch die Probleme in der Landwirtschaft sind lange nicht gelöst. Die büro-
kratischen Lasten bringen viele dazu, ihren Betrieb aufzugeben. Möglicherweise wird sich Bayerns Bauernpräsident Felßner federführend um Deutschlands Landwirte kümmern. Die CSU hat ihn als künftigen Bundeslandwirtschaftsminister vorgeschlagen.
BSZ: Herr Felßner, wo drückt die Bauern aktuell der Schuh?
Günther Felßner: Allen Versprechungen der Ampel-Koalition zum Trotz: Die bürokratische Last in Landwirtschaft und Mittelstand ist weiter erdrückend, die Agrardieselrückerstattung soll bis 2026 komplett wegfallen und dann würde die deutsche Landwirtschaft den europaweit teuersten Treibstoff fahren und jetzt kommt auch noch die Maul- und Klauenseuche dazu.
BSZ: Woran hapert es bei der Agrardieselrückerstattung?
Felßner: Am Wollen der aktuellen Bundesregierung. Da soll der Bundeshaushalt auf Kosten der Bauern saniert werden. Darum ist es ein Wahlversprechen der Union, die deutschen Bauern zu entlasten. Sprich, sie sollen nur so viel für den Agrardiesel zahlen, wie ihre Berufskollegen im europäischen Durchschnitt.
BSZ: Und wie sieht es mit der Bürokratie aus? Es gibt ja ständig das Entlastungsversprechen.
Felßner: Dem aber keine Taten folgen. Es braucht Änderungen im Detail und eine grundsätzliche Kehrtwende bei dem Thema. Die deutsche Mentalität ist es bislang, dass alles dokumentiert und kontrolliert wird. Dieses Denken muss raus aus den Köpfen der Menschen. Weniger Regelungsgenauigkeit ist nötig.
BSZ: Wie wollen Sie das erreichen?
Felßner: Einer muss vorangehen – und wenn es die Landwirtschaftspolitik ist. Dabei ist es so einfach.
BSZ: Wie?
Felßner: Nehmen wir als Beispiel die Straßenverkehrsordnung. Für deren Einhaltung wird mit stichprobenartigen Kontrollen gesorgt. Wenn man geblitzt wird, zahlt man entsprechende Strafen. Und weil man nie weiß, wo ein Blitzer steht, hält man sich an die Geschwindigkeitsvorgaben. Würde man mit dem heutigen Verständnis von Regulierung in der Landwirtschaft die Straßenverkehrsordnung einführen, müsste der gesamte Fahrverlauf dokumentiert werden und auf dem Rücksitz säße noch jemand, der Fahrt und Dokumentation überwacht. So geht es nicht. Wir brauchen eine echte Entlastung bei dieser Überregulierung. So etwa wie mit der Gülle-App in Bayern.
BSZ: Was macht diese?
Felßner: Diese App bietet Infos rund um die Ausbringung der Gülle in Bayern. In Bayern ist es ab Februar 2025 nämlich möglich, dünne Rindergülle mit der schon totgesagten Breitverteilungstechnik auszubringen – und gleichzeitig werden so die Emissionen reduziert und Klima geschützt. All das funktioniert ganz ohne zusätzliche Dokumentation.
BSZ: Und das wurde zugelassen?
Felßner: Damit dieser Weg eingeschlagen werden konnte, war das Machtworte des Ministerpräsidenten und der zuständigen Ministerin nötig. Und für diese einfache Umsetzung habe ich lange und hart gekämpft. Doch die Regelungen selbst resultieren aus den Ergebnissen von wissenschaftlichen Versuchen.
BSZ: Und künftig des Machtworts des neuen Bundeslandwirtschaftsministers Günther Felßner. Sie stehen doch für das Amt bereit?
Felßner: Selbstverständlich, wenn die Voraussetzungen dafür stimmen, also die aktuelle Regierung abgewählt wird. Die Wählerinnen und Wähler sollen wissen, wofür die Union in der Agrarpolitik steht.
BSZ: So eine Form der Entbürokratisierung, wie Sie sie mit der Gülle-App beschrieben haben, hätte die Ampel-Regierung in Berlin nicht gemacht. Im Gegenteil, sie hat Tausende neuer Beamter eingestellt. Sind die Bauern froh, dass es jetzt Neuwahlen gibt?
Felßner: Die Ampel hat die Anliegen der Landwirte und das Potenzial der gesamten grünen Branche nie verstanden. Sie hat immer nur Entscheidungen von oben gefällt und neue Regelungen auf den Weg gebracht. Viele, vor allem im Nebenerwerb tätige Bauern, geben ihre Betriebe unter diesen Voraussetzungen auf. Sie können und wollen das nicht länger mitmachen, wegen der permanent zunehmenden Regelungsdichte wähnt man sich ständig schon mit einem Fuß im Gefängnis. Ständig hat man Angst, etwas falsch zu machen oder zu übersehen. Zum Glück sind jetzt weder das von der Ampel geplante Bundeswaldgesetz noch die Tierschutznovelle in Kraft getreten. Das Bundeswaldgesetz hätte eine Nutzung der Wälder faktisch zum Erliegen gebracht und die Tierschutznovelle hätte die Kombihaltung, also im Sommer draußen, im Winter im Stall, zerstört. Die Ampel war nie am Puls der Landwirte.
BSZ: Wofür werden Sie eintreten?
Felßner: Für Tierwohl, Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Aber mit Lösungen und Konzepten, die von den Landwirten umgesetzt werden können. Die Ampel wollte lediglich die landwirtschaftliche Produktion reduzieren. Aber das ist fatal.
BSZ: Weil damit Wirtschaftskraft und Steueraufkommen sinken.
Felßner: Ja und weil so etwas auch die Akzeptanz für die Demokratie gefährdet.
BSZ: Gefährden hohe Preise für Butter und andere Milcherzeugnisse auch die Demokratie?
Felßner: Seit Corona und Ukraine-Krieg sind die Kosten für Energie, Dünger und Tierfutter enorm gestiegen. Das konnten die Bauern lange nicht abbilden, Betriebe haben aufgegeben. Dadurch wird die landwirtschaftliche Produktion geringer, die Nachfrage bleibt aber. Also steigen in bestimmten Bereichen die Preise. Und der Handel langt gern zu. Haben die Deutschen bisher etwa 10 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgegeben, sind es jetzt etwa 11 Prozent. Das ist im europäischen und globalen Vergleich nach wie vor besorgniserregend wenig. Davon allein können die Bauern nicht leben.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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