Wirtschaft

Die mittelständische Wirtschaft fordert von der Bundespolitik den Abbau von Bürokratie, eine Senkung der Körperschaftsteuer auf 10 Prozent, die Einführung einer Superabschreibung für Investitionen sowie die steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital, um Eigenkapitalfinanzierungen attraktiver zu machen. (Foto: dpa/Jan Woitas)

22.11.2024

"Die Standortbedingungen müssen besser werden"

Achim von Michel, Landesbeauftragter Politik Bayern im Verband Der Mittelstand, über Erwartungen an die nächste Bundesregierung, Bürokratieabbau und Wasserstoff

Nach dem Ampel-Aus soll in drei Monaten ein neuer Bundestag gewählt werden. Die Abstimmung am 23. Februar 2025 wird auch über das Schicksal des Wirtschaftsstandorts Deutschland entscheiden. Damit dieser vorankommt, sind viele Weichenstellungen nötig.

BSZ: Herr von Michel, was braucht der Mittelstand in Bayern von der nächsten Bundesregierung?
Achim von Michel: Der Mittelstand in Bayern erwartet von der nächsten Bundesregierung eine klare Fokussierung auf die Verbesserung der Standortbedingungen. Dazu gehört der Abbau von Bürokratie, eine Senkung der Körperschaftsteuer auf 10 Prozent, die Einführung einer Superabschreibung für Investitionen sowie die steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital, um Eigenkapitalfinanzierungen attraktiver zu machen. Zudem müssen Investitionen in die Digitalisierung und technologische Innovationen massiv vorangetrieben werden. Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Ausbau der digitalen und physischen Infrastruktur sind essenziell, um die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands zu sichern.

BSZ: Wie kann Bayern schnellstmöglich an das Wasserstoffekernnetz mit angeschlossen werden?
Von Michel: Ein wettbewerbsfähiger Mittelstand ist auf eine verlässliche und zukunftsorientierte Energieversorgung angewiesen. Der Wasserstoff spielt dabei eine Schlüsselrolle in der Energiewende und bietet großes Potenzial, energieintensive Prozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist es entscheidend, Bayern als wirtschaftsstarke Region schnellstmöglich in das Wasserstoffkernnetz einzubinden. Der aktuelle Plan der Bundesregierung hat jedoch Schwachstellen, da wichtige Regionen in Bayern bislang nur unzureichend berücksichtigt wurden. Während einige Gebiete wie Hof-Wunsiedel als erste angeschlossen werden sollen, fehlen klare Perspektiven für andere zentrale Industriestandorte. Zudem wird das Potenzial von südlichen Importkorridoren aus Österreich und Italien nicht ausreichend genutzt, was Bayerns strategische Position schwächt. Ohne eine bessere Integration riskiert Bayern, seine Wettbewerbsfähigkeit in energieintensiven Sektoren zu verlieren, was sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch Nachhaltigkeitsziele gefährden könnte.

BSZ: Welche bundespolitischen Entscheidungen der Ampel müssen revidiert werden?
Von Michel: Es geht weniger um spezifische Entscheidungen, sondern vielmehr um strukturelle Weichenstellungen. Der Mittelstand benötigt langfristig planbare Rahmenbedingungen. Es müssen bürokratische Hemmnisse konsequent abgebaut, die Digitalisierung beschleunigt und transformative Prozesse stärker gefördert werden. Wichtig ist, dass politische Entscheidungen auf langfristige Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet sind, um Innovationen zu ermöglichen und den Standort Deutschland zukunftssicher zu machen.

BSZ: Braucht Deutschland wie die USA ein Infrastrukturpaket?
Von Michel: Die Infrastruktur ist das Rückgrat jeder Wirtschaft. Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die sowohl die digitale als auch die physische Infrastruktur betreffen. Während es wichtig ist, von internationalen Beispielen wie den USA zu lernen, sollten wir hierzulande eine eigenständige, auf unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten abgestimmte Strategie verfolgen. Die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, wie etwa die Überholung von Bahnbrücken, ist unerlässlich, um einen reibungslosen Güter- und Personenverkehr sicherzustellen. Auch der geplante Ausbau des Stromnetzes um etwa 14.000 Kilometer an Hochspannungsleitungen wird entscheidend sein, um erneuerbare Energien effizient zu integrieren und eine stabile Versorgung zu gewährleisten. Zudem zeigt der kontinuierliche Fortschritt im Ausbau der 5G-Netzabdeckung das Potenzial, Investitionen in die digitale Infrastruktur gezielt einzusetzen, um die digitale Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands zu stärken und Innovationen effizienter voranzutreiben. Diese Herausforderungen verdeutlichen die Notwendigkeit eines umfassenden Infrastrukturpakets, das gezielte Investitionen mit effizienten Umsetzungsprozessen kombiniert. Ziel ist es, Lösungen zu finden, die sowohl den Mittelstand als auch die gesamte Volkswirtschaft voranbringen.

BSZ: Wie kann die überbordende Bürokratie nachhaltig abgebaut werden, ohne dass für die Umsetzung des Bürokratieabbaus neue Bürokratie geschaffen wird?
Von Michel: Das ist eine zentrale Herausforderung, die wir nur gemeinsam mit der Politik lösen können. Ein effektiver Bürokratieabbau setzt voraus, dass bestehende Vorschriften regelmäßig evaluiert und überholte Regelungen aufgehoben werden. Gleichzeitig muss die Verwaltung durch Digitalisierung effizienter gestaltet werden. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die A1-Bescheinigung, die Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten vorlegen müssen, um ihre Sozialversicherung nachzuweisen. Diese Bescheinigung muss selbst für kurze Geschäftsreisen beantragt und oftmals ausgedruckt mitgeführt werden. Trotz digitaler Verfahren bleibt der Prozess komplex und aufwendig, was die Effizienz der Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Zudem könnte eine einheitliche digitale Plattform, die Bescheinigungen automatisch generiert und EU-weit speichert, den Prozess entscheidend erleichtern. Eine bessere Abstimmung zwischen Behörden und eine stärkere Einbindung von Unternehmen in den Gesetzgebungsprozess sind dabei unerlässlich. Wichtig ist, dass der Bürokratieabbau nicht durch zusätzliche Regularien konterkariert wird – der Fokus muss klar auf der Effizienzsteigerung liegen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

 

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt am 21.11.2024
    Bayrische rechte Politiker wie Söder, Dobrint und vor allem Aiwanger haben gezielt jede Organisation einer Energiewende boykotiert. Wer sich weigert wirtschaftliche Windkraft zu installieren, kann auch keinen Wasserstoff herstellen. Jetzt gehen diese betteln, statt endlich Windkraft zu realisieren. Wir im Mittelstand brauchen natürlich stabile Bedingungen, klare Regeln wie sie vom BMWK gesetzt wurden zum Nutzen von Wirtschaft und Klima.
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