Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erläuterte an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) anlässlich der Veranstaltung „Studenten treffen Absolventen: Zehn Jahre Studium erneuerbare Energien“, wie er die Energiewende im Freistaat voranbringen will. Er sprach jedoch auch Entwicklungen an, die die bayerische Energiepolitik in den nächsten Jahren noch vor große Herausforderungen stellen werden.
Der HSWT ist Aiwanger besonders verbunden. Von 1991 bis 1995 absolvierte er dort ein Studium zum Diplom-Agraringenieur. Laut einem ehemaligen Professor soll er als Student durch konsequentes Nachfragen in den Seminaren immer wieder Diskussionen unter den Kommilitonen angestoßen haben. Diese Beharrlichkeit könnte hilfreich sein für einen Wirtschaftsminister, der ein so schwieriges Thema wie die Energiewende in Bayern vorantreiben muss.
Bei der Begrüßung betonte HSWT-Präsident Eric Veulliet: „Wir werden den Klimawandel nicht verhindern, aber wir können ihn abbremsen“. Dies sei dringend nötig, da die Folgen des Klimawandels bereits jetzt weltweit dramatische Ausmaße annehmen.
Windkraft bringt pro verbrauchter Flächeneinheit den meisten Ertrag
Aiwanger unterstrich zu Beginn seiner Rede, dass die Staatsregierung „die Energiewende auf einen guten Weg“ gebracht habe. Doch dann kam der Wirtschaftsminister schnell auf die Probleme zu sprechen, die einer erfolgreichen Umsetzung im Wege stehen. Grundsätzlich will Aiwanger die Windkraft weiter voranbringen. Er unterstrich, dass die Windkraft pro verbrauchter Flächeneinheit den meisten Ertrag unter den alternativen Energien bringe. Allerdings sieht der Chef der Freien Wähler in Teilen der Bevölkerung eine mangelnde Akzeptanz und forderte: „Die Gemeinden müssen stärker von der Windkraft profitieren können.“ Deshalb will Aiwanger durch eine vermehrte Beteiligung der betroffenen Gemeinden an den Windparks und den dort erzielten Gewinnen die Zustimmung stärken.
Die „10H-Regelung“, die festlegt, dass der Abstand eines Windrads zur nächsten Wohnsiedlung mindestens das Zehnfache seiner Anlagenhöhe betragen muss, ist immer wieder kritisiert worden. Geringere Abstände sind nur im Einvernehmen innerhalb der Gemeinde und den betroffenen Nachbarorten möglich. Der Chef der Freien Wähler betonte in Freising in Bezug auf seine Partei: „Wir wollten die 10H-Regel abschaffen“. Außerdem kündigte Aiwanger an, die Regelung im Herbst einer Evaluation unterziehen zu wollen. Ob die CSU einer eventuellen Änderung zustimmen wird, erscheint unsicher. Die 10H-Regelung war im November 2014 mit den Stimmen der CSU-Mehrheit beschlossen worden. Die Freien Wähler hatten damals dagegen gestimmt.
Aiwanger betonte in Weihenstephan, dass „die Photovoltaik in Bayern auf insgesamt weniger Widerstand stößt als die Windkraft“. Allerdings wird von der Landwirtschaft und Umweltverbänden der Flächenverbrauch durch Solarparks beklagt. Aiwanger will deshalb „die Photovoltaik nicht in Konkurrenz zur Landwirtschaft ausbauen“. Photovoltaikanlagen sollten bevorzugt auf weniger wertvollen Landwirtschaftsflächen errichtet werden. Außerdem gebe es positive Entwicklungen bei der Agro Photovoltaik. So könnten durch eine höhere Anbringung der Anlagen die darunter liegenden Böden landwirtschaftlich genutzt werden. Aiwanger kritisierte die Obergrenze von 30 Freiflächen im Jahr für neue Solarparks in Bayern. Aiwanger: “Wir haben die Grenze für 2019 bereits in diesem Frühjahr erreicht.“ Deshalb will sich der Wirtschaftsminister für eine Anhebung der Obergrenze einsetzen.
95 Prozent der PV-Anlagen in Bayern sind auf Dächern installiert
Eine vergleichsweise problemlose Alternative bieten Solaranlagen auf Dächern von Gebäuden. Aiwanger will speziell PV-Speicher, die immer mehr Hausbesitzer in ihren Kellern installieren, stärker fördern. Aiwanger betonte, dass 95 Prozent der PV-Anlagen in Bayern auf Dächern installiert seien. Hierzu merkte allerdings Eric Veulliet an, dass es „eine zu geringe Bereitschaft des Freistaats gibt, in Photovoltaik bei eigenen Gebäuden zu investieren“.
Bei der an Aiwangers Rede anschließenden Podiumsdiskussion kam auch die aktuell diskutierte CO2-Steuer zur Sprache. Sowohl Eric Veulliet als auch Florian Henle, einer der Gründer des Ökostromunternehmens Polarstern, befürworteten die Steuer. Henle wies auch darauf hin, dass der hohe Energieverbrauch im Verkehr bisher zu wenig diskutiert werde. Aiwanger wollte sich dagegen nicht auf eine CO2-Steuer festlegen lassen. Wichtiger ist für ihn „dass den erneuerbaren Energien alle Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.“ Erst danach könnte eine CO2-Steuer in Betracht genommen werden. Zudem dürfe „eine CO2-Steuer nicht dazu führen, dass energieintensive Industrien ins Ausland abwandern“.
Aiwanger will „so viel Energie wie möglich in Bayern erzeugen.“ Der Wirtschaftsminister sieht die Abhängigkeit von anderen Regionen kritisch, wobei er die Windkraft aus Norddeutschland und das damit verbundene Problem der Stromtrassen ansprach. Aiwanger warnte vor einer „ideologischen Debatte über die Strom-trassen in Bayern“ und stellte zugleich die Frage: „Brauchen wir sie wirklich?“. Ove Petersen, Gründer der Firma GP Joule und Ökolandwirt aus Schleswig-Holstein, vertrat auf dem Podium die norddeutsche Sicht auf die Energiewende in Bayern. Er betonte: „Die Durchleitung von Strom aus dem Norden in den Süden wird teuer“. Dagegen habe Bayern „viel eigene Chancen für die Windkraft“, die es nutzen könne.
Erdgas hat eine wichtige Rolle
Aiwanger machte deutlich, dass dem Erdgas eine wichtige Rolle bei der Energiewende zukommt. Gerade aufgrund des Aus für Kernkraft und Kohle sei Erdgas für die Versorgungssicherheit von großer Bedeutung. Aber auch die „Power to Gas“-Technologie besitze großes Zukunftspotenzial. Der Wirtschaftsminister warnte, dass Deutschland diese Technologie „nicht allein der starken chinesischen Konkurrenz überlassen dürfe.“
Aiwanger hält nicht viel davon, Schülern die Teilnahme an den „Fridays for Future“-Protesten zu verbieten, auch wenn er Demonstrationen außerhalb der Schulzeit besser fände. Allerdings betonte er, dass „es wenig Sinn macht, wenn die Schüler freitags für das Klima protestieren und am Wochenende dann nach Mallorca fliegen“. Aiwanger wünscht sich, dass sich der Einsatz für das Klima auch stärker im persönlichen Handeln zeigt. Er fordert mehr regionale Produkte zu kaufen. Aiwanger betont gerne, dass die Energiewende für ihn eine Herzensangelegenheit sei. Sie müsse stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken: „Die Energiewende muss zu einem Thema an den Stammtischen werden“. Doch es ist offensichtlich, dass der Wirtschaftsminister nicht nur an den Stammtischen, sondern vor allem in der Koalition mit der CSU noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss.
(Mathias von Hofen)
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