Wirtschaft

Hannes Lachmann (links) und der ehemalige Landtagsabgeordnete Konrad Kobler auf dem Balkon des Palais Chotek, das die bayerischen Fahne ziert. (Foto: Höcherl)

21.08.2015

Edler Rahmen für handfeste Ziele

Die Aktivitäten der bayerischen Repräsentanz im Prager Palais Chotek sind vielfältig

Drei Jahrzehnte war er als Abgeordneter für den Raum Passau und Niederbayern im Bayerischen Landtag, nun strahlt Konrad Kobler (CSU) über das ganze Gesicht. Viele Jahre hatte er zusammen mit Kollegen vor allem aus dem bayerischen Grenzland, denen er eine besondere Sensibilität bezüglich des bayerisch-tschechischen Verhältnisses bescheinigt, für eine Repräsentanz im Nachbarland, in der Hauptstadt Prag, gekämpft und lange Zeit herbe Enttäuschungen erleben müssen.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) war es vorbehalten, mit seinem ersten Besuch vor vier Jahren das Eis zu brechen – und dann ging alles sehr schnell. Gegenbesuch und weitere Reisen ließen nicht lange auf sich warten. Nun steht er vor dem Palais Chotek, auch „Haus zur goldenen Melone“ genannt, in der Michalska Straße, nahe dem Altstädter Ring, im Herzen von Prag. Auf dem Balkon des Hauses weht die weiß-blaue bayerische Fahne. Konrad Kobler, auch Vorsitzender der Europa-Union Niederbayern und des Vereins „Europa in der Region e. V.“, wird von Hannes Lachmann, dem Leiter der Repräsentanz, der Europaministerin Beate Merk (CSU), die Hausherrin, in Prag vertritt, erwartet. Doch das, was die führenden Politiker beider Länder erst in den letzten Jahren in Sachen Gemeinsamkeit real zustande brachten, ist vor allem in der Wirtschaft längst zur Normalität geworden. Auch Kommunen entlang der Grenze, Kirchen, Schulen und Vereine suchten und fanden schon lange den Weg zu gemeinsamen Projekten zusammen mit den Euregiones und einem selbstverständlichen, guten Umgang miteinander.

Einkaufen für 30 Milliarden Euro


Deutschland verkauft, so Germany Trade & Invest, in Tschechien jährlich Waren im Wert von über 30 Milliarden Euro, in die umgekehrte Richtung erwirtschafteten böhmische und mährische Unternehmen sogar einen Überschuss. Damit gehört das Nachbarland zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands und hier vor allem Bayerns. Im Jahre 2014 beispielsweise war der Warenaustausch mit Tschechien – auch den EU-Sanktionen geschuldet – größer als der mit Russland. Der deutsche Handel mit Tschechien hat sich in den letzten 15 Jahren fast verdreifacht. Und Bayern liegt mit rund sechs Milliarden Euro Export und fast zehn Milliarden Euro Import aus Tschechien mit ganz vorne unter den Bundesländern. Grund für die starke Position des mit 10,5 Millionen Einwohnern doch recht kleinen Landes ist die enge Verzahnung der tschechischen und deutschen Wirtschaft. Und dafür zeichnen in Bayern vor allem die Industrie- und Handelskammern, besonders in Niederbayern und der Oberpfalz mit Vertretungen in Prag und Pilsen sowie in besonderem Maße auch die Handwerkskammern, vor allem die in Regensburg wiederum für Niederbayern und die Oberpfalz verantwortlich. Viele Produktionsverlagerungen sorgen für einen ständigen Warenfluss und die bayerischen Unternehmen wissen die gute Ausbildung ihrer tschechischen Mitarbeiter sehr wohl zu schätzen.

Mit dem Zug anzureisen, war nicht möglich


Doch das Zusammenwachsen des Wirtschafts- und Arbeitsraumes, das Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bei der Eröffnung der Repräsentanz beschworen hatte, bedarf kräftiger Unterstützung durch die Politik in vielen Bereichen. Zwar hatten Ministerpräsident Seehofer und der tschechische Premier Bohuslav Sobotka eben bei dieser Gelegenheit beschlossen, bei der bayerisch-tschechischen Landesausstellung in Nürnberg und Prag Karl IV. ins Zentrum zu rücken und Seehofer kann sich auch Sitzungen seines Kabinetts in der Prager Repräsentanz vorstellen: Doch mit dem Zug anzureisen, war ihm nicht möglich, denn er wäre nie und nimmer rechtzeitig in Prag gewesen. Der Bund sei gefordert beim, Ausbau der Bahnstrecken Prag – München und Nürnberg – Prag, grantelt Seehofer dann auch und verspricht „bayerischen Druck“.
Doch da sind zahlreiche weitere Punkte, die ostbayerische Wirtschaftsvertreter und Politiker seit Langem fordern – und die Kobler nun Lachmann, dem Leiter der Vertretung in Prag, vorträgt. Lachmann, in Regensburg geboren und in Weiden aufgewachsen, hatte zuvor bei der deutsch-tschechischen Außenhandelskammer gearbeitet und spricht fließend Tschechisch. Auch ihm sind Probleme wie die Förderung der deutschen Sprache in Tschechien und die der tschechischen in Bayern – sie scheitert hier lediglich an der pädagogischen Ausbildung der Unterrichtenden – bewusst, die da weiter sind: Ausbau der Bahn von Passau in das Nachbarland, vor allem die Verbesserung der Straßen von Passau, Furth im Wand und weiter im Norden nach Prag und entsprechende Hinweisschilder auf die Strecken nach Tschechien bereits auf den Autobahnen, Anerkennung der beruflichen Bildung und deren Abschlüsse im Nachbarland. Ein weiteres Anliegen von vielen mehr ist für Kobler angesichts der steigenden Zahlen von Arbeitern und Touristen von und nach Tschechien ein grenzüberschreitender Luftrettungsdienst.
Das heutige Palais Chotek, in dessen erstem Obergeschoss sich die für 85.000 Euro jährlich gemieteten Räume der bayerischen Repräsentanz befinden, besteht aus zwei Trakten: dem nördlichen „Haus zur goldenen Melone“und dem südlichen Christopherus-Haus, später auch „Reinhart-Haus“ genannt. Der Nordtrakt stammt aus dem Jahr 1401 und wurde 1422 erstmals urkundlich erwähnt. Beide Gebäudeteile wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgebaut, am umfangreichsten wohl Anfang des 18. Jahrhunderts, als die Objekte in den Besitz der altböhmischen Adelsfamilie der Chotek gelangten. Johann Nepomuk Rudolf Graf von Chotek (1748 – 1824) und nach ihm vor allem sein Sohn Karel ließen die beiden Häuser zu einem großen Gebäude zusammenfügen, wodurch das heutige Palais mit seiner einheitlichen Fassade entstand.

Monumentaler Treppenaufgang


Aus dieser Zeit stammt auch der monumentale Treppenaufgang, der nun zu den Räumen der Repräsentanz Bayerns führt. Die historischen Zimmerdecken in der Repräsentanz wurden zusammen mit den gotischen Portalen in den Jahren 1976 bis 1981 aufwändig restauriert. 1828 befand sich in diesem Haus die berühmte Tanzschule des Tanzmeisters Karel Linka, die von vielen namhaften Persönlichkeiten des böhmischen Kulturlebens wie auch dem späteren Schriftsteller Jan Neruda besucht wurde. Später diente das Gebäude als Verkaufsraum für Konzertflügel – auch Tschaikowsky spielte hier – und als staatliche Baubehörde. Die ursprüngliche Eigentümerfamilie Chotek brachte seit dem 14. Jahrhundert viele herausragende Persönlichkeiten hervor, darunter die beiden erwähnten Bauherren. Johann Nepomuk Rudolf Graf von Chotek machte sich als Oberster Burggraf von Böhmen um Wissenschaften und Kunst verdient und förderte den wirtschaftlichen Aufschwung Böhmens. Sein Sohn Karel ließ in Prag viele Straßen, eine Brücke und die Uferbefestigung der Moldau bauen. Der Familie entstammt auch Sophie von Chotek, die spätere Frau des habsburgischen Thronfolgers Franz Ferdinand d‘Este, die zusammen mit ihrem Mann beim Attentat von Sarajevo ums Leben kam.
Reges Leben zog, so Lachmann, seit der Eröffnung im Dezember 2014 in die alten Mauern ein. Rund 50 Besuchergruppen führten er und seine drei Mitarbeiter durch die Räume, über 20 Veranstaltungen fanden in den Räumen statt, beim Sommerfest waren 200 Gäste zu bewirten, über 70 Kooperationsgespräche zu grenzübergreifenden Themen mit Gästen aus Wirtschaft, Politik und Kultur bereichern seit dem Start bislang die Arbeitsbilanz der Bayerischen Vertretung. Schon nach so kurzer Zeit ist sie gut eingebunden in das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der tschechischen Hauptstadt. Hinzu kommen, in enger Abstimmung mit der Deutschen Botschaft, diverse Kontakte zu Ministerien und zur Presse, um eine breite Öffentlichkeit im Sinne Bayerns zu erreichen.
(Hermann Höcherl) Informationen zu Besuchen der Repräsentanz gibt es unter www.tschechien.bayern.de, Terminvereinbarungen per E-Mail unter: prag@stk.bayern.de

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