Wirtschaft

Ein Nachbau des Elektroautos „Elektrische Viktoria“ von 1907, ist im historischen Depot von Siemens zu sehen. Das Unternehmen wird in diesem Jahr 175 Jahre alt. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

10.10.2022

Ein E-Auto aus dem Jahr 1907

Siemens Depot: Was der Konzern ist, war oder hätte werden können

Wer die Essenz von Siemens sehen und vielleicht sogar anfassen will, muss in den Münchner Stadtteil Neuperlach fahren. Dort, in einer schmucklosen Halle, lagern in langen Stahlregalen Tausende Gegenstände aus 175 Jahren Unternehmensgeschichte. Nicht nur Porträts des Gründers und ein Nachbau eines der Zeigertelegrafen, mit denen die Entwicklung des Konzerns im Oktober 1847 ihren Anfang nahm, finden sich dort: Auch Dutzende Handys, alte Elektroöfen, Modelle eines Kernkraftwerks und eines Dampfschiffs sowie ein Stück des ersten damit von Siemens verlegten Übersee-Telegrafenkabels, ein Olympia-Toaster und ein mechanischer Rasierklingenschärfer.

Der Gang durch die Regalreihen mit ihren 10.000 bis 15.000 Stücken zeigt auch viel von dem, was Siemens hätte sein können, heute aber nicht mehr ist. So finden sich auch Autos und ein Motorrad. Zwischenzeitlich habe der Konzern Autos mit Elektro- und Verbrennungsmotor gebaut, erzählt Florian Kiuntke, der Leiter des siemenseigenen historischen Instituts. Und auch Motorräder standen zeitweise auf der Produktionspalette. Der Hersteller Mabeco habe den Konzern, der damals sein Zulieferer war, statt mit Geld mit Anteilen bezahlt, bis es am Ende zur Übernahme kam.

Letztlich habe der Konzern sich damals gegen Autos und Motorräder entschieden, sagt Kiuntke. Weil die Konkurrenz zu groß war, aber auch, weil man sich auf elektrische Geräte konzentrieren wollte.

Von Kommunikationsgeräten getrennt

Auch von den Kommunikationsgeräten trennte sich Siemens später weitgehend, obwohl sie der Ursprung des Konzerns waren und sich ihre Reihe im Depot über mehr als eineinhalb Jahrhunderte verfolgen lässt: vom Zeigertelegrafen über ein ganzes Schrankabteil mit Kabeln und eine alte Polizei-Vermittlungsstelle bis zu Telefonen mit und ohne Kabel sowie Handys. Vieles verschwand nach der Trennung ganz: Die Handysparte beispielsweise ging nach dem Verkauf relativ schnell mit dem neuen Eigner BenQ in die Insolvenz.

Die ehemalige Hausgerätesparte floriert dagegen. Auch sie gehört aber nicht mehr zu Siemens. Nachdem sie schon lange in einem Gemeinschaftsunternehmen mit Bosch aufgegangen war, ist dieses inzwischen komplett an die Stuttgarter verkauft worden ist. Und auch diese Sparte ist gut im Depot vertreten: Unter anderem mit mehrere hundert Kilo schweren Kühlschränken und uralten Backöfen, deren Innenraum so geformt ist, dass sich erschließt, warum man einen Kuchen auch heute noch "Ins Rohr" schiebt.


In diesen Bereich fällt auch der Olympia-Toaster zu den Münchner Spielen des Jahres 1972. Doch er war bei weitem nicht der einzige Beitrag des Weltkonzerns, der in Berlin gegründet wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg nach München wechselte, zu dem sportlichen Großereignis in seiner neuen Heimat. Auch Flutlichtlampen sind zu sehen. Sie hätten für die Fernsehübertragung damals besonders hell sein müssen, erzählt Kiuntke. Und sogar eine Art frühes Wikipedia erstellte Siemens damals - eine Datenbank, um Informationen über die teilnehmenden Sportler blitzschnell abrufen und verknüpfen zu können.

Alte Schalttafeln aus Holz und Naturstein

Daneben gibt das Depot auch einen Eindruck, wie Technik einst aussah: Mit alten Schalttafeln aus Holz und Naturstein, Geräten mit schnörkeliger Goldschrift, oder geprägten Plaketten aus Messing oder Kupfer.

Öffentlich zu sehen sind die Exponate allerdings nicht mehr, auch wenn es früher ein eigenes Siemens-Museum gab. Das Archiv sammelt die Geschichte des Konzerns für interne Zwecke, neben der Sammlung in München gibt es ein Aktenarchiv mit mehr als 10.000 Regalmetern und mehr als einer Million Fotos in Berlin. Der Ausgang der Sammlung von Produkten und Akten war übrigens ebenfalls ein Jubiläum: Zum 60-Jährigen im Jahr 1907 habe man bemerkt, dass wichtige alte Unterlagen verloren gegangen seien, erzählt Kiuntke. Seither wird dagegen angesammelt.
(Christof Rührmair, dpa)

 

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