Wirtschaft

Zwei junge Frauen schwenken auf dem Münchner Odeonsplatz zwei Transparente mit der Aufschrift "Die faire Milch" und protestieren damit gegen sinkende Milchpreise. (Foto: Marc Müller/dpa)

01.09.2015

"Es geht um unsere Existenz"

Milchbauern beklagen Preisverfall. Tausende versammelten sich zu einer Kundgebung in München, um sich Gehör zu verschaffen

Die Bauern haben die Landluft mit nach München gebracht. Wo sonst Cabrios spazieren fahren, reihten sich heute am noblen Odeonsplatz in der Innenstadt Hunderte Traktoren mit Stallgeruch aneinander. Viele Bauern kamen direkt von ihren Höfen, um sich zur größten Protestaktion der Landwirte seit Jahren mitten in der bayerischen Hauptstadt zu versammeln. 

Etliche waren aus Bayern, das als wichtigstes Erzeugerland für Milch besonders vom Preisverfall für die Milch betroffen ist. Aber auch aus Ostfriesland und anderen Regionen sind die Bauern nach einer einwöchigen Sternfahrt in München angekommen. Im Gepäck haben die Landwirte ihre Milchkannen, Kuhglocken - und eine große Portion Wut. Seit Monaten müssen sie zusehen, wie ihre Einnahmen aus der Milcherzeugung dahinschmelzen.

27 Cent für ein Kilo Rohmilch

Während sie Ende 2013 noch 41 Cent für das Kilo Rohmilch erhielten, sind es inzwischen oft nur noch 27 Cent. Für einen Betrieb mit 120 Milchkühen bedeutet das rund 80 000 Euro weniger Einnahmen in diesem Jahr - das hält kein Bauer auf Dauer durch. 

"Es geht um unsere Existenz", ruft Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) den Bauern zu, die trotz glühender Hitze stundenlang vor der Bühne ausharren und die Reden dort mit einem Konzert aus Kuhglocken begleiten. Sie sind die Sonne gewohnt: Während sich Passanten vor derMittagssonne in den Schatten flüchten, bleiben die Landwirte einfach stundenlang stehen.

Einer von ihnen ist Alfred Greubel, der sich aus Franken auf den Weg nach München gemacht hat. Er hat seinen Betrieb vor einigen Jahren auf Bio umgestellt und ist deshalb nicht ganz so stark betroffen wie seine Kollegen mit konventionellem Betrieb. Aber er ist sicher, dass auch der Preis für Bio-Milch ohne Unterstützung der Politik weiter fällt. "Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." 

Tränen in den Augen

Neben ihm steht Bäuerin Lisa Hollfelder, die sich nach einem 16-Stunden-Tag auf dem Hof gleich morgens in den Bus gesetzt hat, um in München zu protestieren. Sie hat Tränen in den Augen, als sie von ihrem Betrieb in der Nähe von Bamberg erzählt. Vor einigen Jahren hat die Familie einen neuen Stall gebaut, der Kredit läuft 20 Jahre. "Für diese Dauer müssen wir doch produzieren."

Nach der Kundgebung auf dem Odeonsplatz fahren die Bauern mit ihren Traktoren weiter zur Bayerischen Staatskanzlei, wo aus ihrer Sicht die Verantwortlichen für die Krise sitzen: Die CSU mit ihrem Bundesagrarminister Christian Schmidt, dem sie Tatenlosigkeit vorwerfen. Auf unzähligen Plakaten steht sein Name. 

"O Herr beschützte unseren Bauernstand vor CSU und Bauernverband"

"O Herr beschützte unseren Bauernstand vor CSU und Bauernverband", hat eine Bäuerin auf ihr Transparent geschrieben. Dem Bauernverband werfen die Milchbauern vor, sich für die Abschaffung der Milchquote stark gemacht zu haben. Nun mache das Überangebot die Preise kaputt. 

Der Milchviehhalter-Verband fordert deshalb zumindest befristet eine Deckelung der Milchmenge, damit sich die Preise wieder erholen - und langfristig einen "Mindestlohn für Milchbauern" von mindestens 40 Cent. Auch Bäuerin Hollfelder hofft, dass sie ihren Betrieb eines Tages an ihre Kinder übergeben kann, denen sie vorsichtshalber aber erstmal eine andere Ausbildung empfohlen hat. "Wir lieben doch diesen Beruf." (Daniela Wiegmann, dpa)

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