Wirtschaft

Hier wird der Nachwuchs ausgebildet: die Medbo Regensburg Pflegeschulen. (Foto: medbo/Frank Hübler)

13.12.2021

"Fachpersonal zu gewinnen wird schwieriger"

Franz Löffler (CSU), Präsident des Bayerischen Bezirktetags und Präsident des Bezirks Oberpfalz, über die Wirtschaftskraft der Bezirke

Die bayerischen Bezirke sorgen nicht nur für viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum des Flächenstaats Bayern. Mit ihren Kliniken, Museen und Verwaltungen stellen sie auch ein enormes Beschaffungspotenzial für die Wirtschaft dar.

BSZ: Herr Löffler, die bayerischen Bezirke sind ein bedeutender Arbeitgeber, gerade im ländlichen Raum. Wie viele Menschen sind bei den bayerischen Bezirken direkt beschäftigt?
Löffler: Die Kliniken der bayerischen Bezirke sind in ihrer Gesamtheit einer der größten öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber in Bayern. Mehr als 25.000 Beschäftigte arbeiten in den Kliniken und den Wohn- sowie Pflegeeinrichtungen der Bezirke. Hinzu kommen rund 5000 Menschen, die in der Verwaltung, den Schulen und sonstigen Einrichtungen der Bezirke beschäftigt sind. Aber auch in den Zweckverbänden, die unter mehrheitlicher Beteiligung des jeweiligen Bezirks geführt werden, sind ebenfalls viele Menschen beschäftigt.

BSZ: Wie viele und um welche Zweckverbände handelt es sich?
Löffler: Das sind zum Beispiel Kurbäder oder Museen. Allerdings haben wir hier keine Beschäftigtenzahlen für diesen Bereich.

BSZ: Aber vielleicht haben Sie einen Überblick, wie vielen Menschen die bayerischen Bezirke indirekt Arbeit geben?
Löffler: Ja, den habe ich. Sie müssen wissen: Pro Jahr fließen rund 5,27 Milliarden Euro von den Bezirken an die Sozialdienstleister, circa 80 Prozent dieser Gelder sind Personalausgaben. Beispielsweise in den Wohneinrichtungen und betreuten Wohnformen für volljährige Menschen mit Behinderung sind über 29 000 Menschen tätig. Das ist Stand Juli 2020. Diese Arbeitsplätze werden über die von den Bezirken ausgezahlte Eingliederungshilfe finanziert. Aber das ist nicht alles.

BSZ: Sondern?
Löffler: Hinzu kommen Menschen, die in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen angestellt sind und in einer Vielzahl ambulanter Dienste im Bereich der Eingliederungshilfe. Außerdem finanzieren die Bezirke noch Beschäftigte in Angeboten der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche sowie die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze in der ambulanten und stationären Pflege von den Bezirken durch die sogenannte Hilfe zur Pflege teilweise oder voll finanziert werden.

BSZ: Wie viele sind das?
Löffler: Bayernweit sind über 91.000 Menschen in Pflegewohnheimen tätig – und gleichzeitig sind circa ein Drittel aller Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner in Bayern auf die finanzielle Hilfe der Bezirke angewiesen, um ihre Pflege zu finanzieren. Diese Arbeitsplätze werden also von uns mitfinanziert, zusammen mit Mitteln der Pflegekassen und den Eigenmitteln der Pflegeheimbewohner. Um ganz konkret zu werden: Allein in der Oberpfalz, meinem Heimatbezirk, werden über die Hilfe zur Pflege rund 4300 Arbeitsplätze mitfinanziert. Das sind 680 mehr als im Vorjahr. Im Bereich der Eingliederungshilfe finanziert der Bezirk Oberpfalz rund 5250 Arbeitsplätze. Das sind 650 mehr als im Vorjahr.

BSZ: Kann man aus diesen Oberpfälzer Zahlen auf einen ungefähren bayernweiten Wert schließen?
Löffler: Leider nein. Denn die Angebotsstrukturen unterscheiden sich von Bezirk zu Bezirk – wie diese konkret ausgestaltet sind, hängt von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich planen die Bezirke ihre Angebote und Einrichtungen so, dass sie möglichst gut zu den Bedarfen der Menschen und den Gegebenheiten vor Ort passen. Nehmen wir die Hilfe zur Pflege als ein konkretes Beispiel: In Ballungsräumen besteht größerer Bedarf an ambulanter Pflege, Pflegeheime sind im ländlichen Bereich verbreiteter. Weil die Angebote unterschiedlich sind, ist es auch der Personalbedarf. Daher kann man nicht einfach die Zahlen eines Bezirks nehmen und auf die Einwohnerzahl eines anderen Bezirks hochrechnen.

BSZ: Aber die Personalkosten, die die sieben bayerischen Bezirke pro Jahr zu stemmen haben, kann man darstellen, oder?
Löffler: Ja, das geht. Allein die Verwaltung, die Schulen und die Einrichtungen in den sieben Bezirken schlagen im laufenden Haushaltsjahr mit rund 346 Millionen Euro zu Buche. Die Personalkosten der Gesundheitseinrichtungen betragen entsprechend der hohen Zahl an Beschäftigten ein Mehrfaches davon. Einen exakten Wert gibt es aber nicht. Hier kann ich jedoch Oberpfälzer Zahlen anführen.

BSZ: Und die wären?
Löffler: Für das bezirkseigene Personal wurden 2020 in der Oberpfalz 21 Millionen Euro aufgewendet, für das Personal in den medizinischen Einrichtungen waren es 190,4 Millionen Euro. Hinzu kommen noch etwa 342 Millionen Euro an vom Bezirk finanzierten Personalkosten in den oberpfälzischen Einrichtungen. Da sind aber noch nicht die Personalkosten enthalten, die der Bezirk außerhalb der Oberpfalz mitfinanziert, weil sich dort Leistungsberechtigte des Bezirks Oberpfalz befinden.

BSZ: Welche Berufsbilder gibt es bei den bayerischen Bezirken?
Löffler: Die Vielfalt würde sie überraschen! Natürlich arbeiten bei uns viele Verwaltungsfachkräfte und an unseren Kliniken findet sich die ganze Bandbreite der medizinischen Berufe. Aber wir beschäftigen auch Umwelttechniker, Land- und Fischwirte, Restauratoren, Musiker und Kulturwissenschaftler. Und da greife ich jetzt nur ein paar Beispiel heraus! Ich sage immer: Egal, welche Ausbildung oder welches Studium jemand hat – es lohnt sich, die Stellenausschreibungen der Bezirke im Blick zu haben.

BSZ: Und wie sieht es angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels mit der Nachwuchsgewinnung aus? Löffler: Es wird zusehends schwieriger, qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen und auch längerfristig zu binden. Dem begegnen die Bezirke durch einen Ausbau des eigenen Aus- und Weiterbildungsangebots. Wegen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und des Bayerischen Teilhabegesetzes ist der Personalbedarf vor allem in den Sozialverwaltungen gestiegen. Darum haben die Bezirke Oberbayern, Mittelfranken, Oberpfalz und Schwaben gemeinsam mit der Hochschule für angewandtes Management einen dualen Studiengang Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Public Social Management ins Leben gerufen.

BSZ: Und wie sieht es im Pflegebereich aus?
Löffler: Im Pflegebereich betreiben die Bezirke 13 eigene Berufsfachschulen. Dort bieten die bezirklichen Gesundheitsunternehmen etwa 1300 Auszubildenden eine berufliche Perspektive. Das entspricht etwa 10 Prozent der Ausbildungsplätze in der Pflege in Krankenhäusern in Bayern. Zudem bieten die Bezirke Umschulungen für Quereinsteiger an.

BSZ: Und was ist mit Ärztinnen und Ärzten?
Löffler: Einige Einrichtungen bieten Stipendienprogramme für Studierende der medizinischen Fachbereiche Neurologie und Psychiatrie. Damit soll Nachwuchs gewonnen und gebunden werden. Darüber hinaus kooperieren viele Bezirkskliniken mit Universitäten und dienen auch als akademische Lehrkrankenhäuser.

BSZ: Gehen wir noch einmal zurück zu den Finanzen der Bezirke. Welches Beschaffungsvolumen bei Waren und Dienstleistungen lösen die bayerischen Bezirke in der Wirtschaft aus?
Löffler: Nach unserer Finanzstatistik gaben die Bezirksverwaltungen im vergangenen Jahr knapp 174 Millionen Euro im Kernhaushalt für Verwaltungs- und Betriebsaufwand sowie für Investitionen aus. Da sind aber die Gesundheitseinrichtungen nicht mit enthalten. Hierfür kann ich nur wieder oberpfälzische Zahlen beisteuern. So betrug 2020 der Materialaufwand für die Kliniken 40,8 Millionen Euro. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen betrugen 16,5 Millionen Euro und die Investitionen betrugen 87,2 Millionen Euro.

BSZ: Betrachten wir einmal die bayerischen Bezirke unter dem Gesichtspunkt Standortfaktor. Die Kliniken und Museen sorgen für Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Wie ist das zu bewerten?
Löffler: Mit nahezu einer halben Million Besucherinnen und Besucher zählen die Freilichtmuseen der Bezirke zu den besucherstärksten nichtstaatlichen Museen in Bayern. Sie sind nicht nur als Arbeitgeber ein Wirtschaftsfaktor, sondern stärken auch den Tourismus im ländlichen Raum. Die Bezirkskliniken hingegen sind ein wichtiger Baustein bei der Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung im Flächenstaat Bayern. Sie unterhalten circa ein Fünftel aller Krankenhausbetten in Bayern. Das entspricht über 12.500 Betten. Ein Schwerpunkt liegt auf Psychiatrie, doch auch Orthopädie, Lungenfachheilkunde, Neurologie oder Neurochirurgie gehören zum Leistungsspektrum der Bezirkskliniken. Hinzu kommen Pflegeheime, Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder auch ambulant betreute Wohngemeinschaften. So wird sichergestellt, dass Menschen auch abseits der Ballungsräume wohnortnah gepflegt werden können.

BSZ: Zum Schluss noch ein Blick auf den ideellen Wert der Kulturarbeit der bayerischen Bezirke. Was bringt das der Bevölkerung im Freistaat Bayern?
Löffler: Kultur und Heimatpflege haben eine wichtige identitätsstiftende Funktion für die Menschen, die in einer Region leben. Wissen und Bewusstsein für die eigenen kulturellen Wurzeln stehen dabei ebenso im Fokus wie die aktive kulturelle Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft. Neben dem ideellen Ziel, Menschen zu verbinden, hat die Kulturarbeit der Bezirke aber auch einen handfesten wirtschaftlichen Aspekt sowohl als Standortfaktor für die touristische Attraktivität einer Region als auch unmittelbar für die Kulturschaffenden auf und hinter den Bühnen.

BSZ: Wie viel Geld fließt pro Jahr in die Kulturarbeit der bayerischen Bezirke?
Löffler: Über 50 Millionen Euro. Das reicht von der Denkmalpflege über die Freilichtmuseen bis zu Kulturtagen oder Musikfestivals. Allein für die gesetzliche Aufgabe der Denkmalpflege stellen die Bezirke pro Jahr über sieben Millionen Euro bereit. Die Kulturarbeit der bayerischen Bezirke ist der Integration und Inklusion aller Menschen verpflichtet. Sie leistet damit einen Beitrag zur Zusammengehörigkeit und Weiterentwicklung einer Gesellschaft, die geprägt ist von Humanität, Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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