Im aktuellen Klimabericht der Staatsregierung sind Emissionsminderungen durch Windräder hinterlegt, deren Bau gar nicht auf Bayerns Klimaschutzprogramm zurückgehen. Konkret findet sich in der Leistungsbilanz unter dem Punkt "100 neue Windkraftanlagen in Bayerischen Staatsforsten" (BaySF) für die Jahre 2022 und 2023 eine Treibhausgaseinsparung von jeweils 10.000 Tonnen.
Tatsächlich wurden aber genau diese 100 neuen Windräder bisher gar nicht gebaut. Im Klimaschutzprogramm heißt es dazu "In Vorbereitung". Erst ein genauerer Blick offenbart, was sich hinter dem Punkt verbirgt: So basieren die genannten Kohlendioxidwerte auf "Einsparungen bei derzeit 101 Windkraftanlagen". Diese waren aber schon lange in Betrieb, bevor das Klimaschutzgesetz überhaupt verabschiedet wurde. Seit mindestens 2020 ging in den Staatsforsten aber keine einzige Windenergieanlage (WEA) neu in Betrieb.
Seit 2021 kein neues Windrad in Staatsforsten errichtet
"Seit dem Erlass des bayerischen Klimaschutzgesetzes zum 01.01.2021 wurden keine neuen WEA auf Staatsforstgrund gebaut, trotzdem ergeben sich aus dem Betrieb der vorhandenen Anlagen jährliche CO2-Einsparungen, die für 2022 und 2023 als konstante Größe dargestellt sind", heißt es auf Nachfrage aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium. Die Formulierung "neu" sei "tatsächlich ein Fehler ist, der sich eingeschlichen hat".
Grüne: Das ist mehr als bloße Klimaschutz-Schönrechnerei
"Das ist mehr als Schönrechnerei", sagte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig. Die 101 Windräder dürften nicht im Klimabericht erscheinen. "Was kommt als Nächstes? Rechnen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auch die bayerischen Wasserkraftanlagen, von denen viele bald 100 Jahre in Betrieb sind, als neue Maßnahmen mit ein, um ihre verkorkste Klimabilanz aufzuhübschen?"
Auch bei mindestens einem weiteren Punkt zu den Emissionseinsparungen im Klimabericht lohnt sich eine genauere Betrachtung: Unter dem Punkt "Einrichtung von 70.000 Ladesäulen für E-Autos bis 2030" nennt die Bilanz für 2022 Einsparungen von 28.000 Tonnen CO2, für 2023 gar von 55.000 Tonnen. Laut Klimaschutzprogramm sollen die öffentlich zugänglichen 70.000 Ladesäulen bis 2030 errichtet werden, wie viele es bisher sind, wird nicht genannt. Laut Bundesnetzagentur gab es (Stand 01/24) 25.610 Ladepunkte in Bayern.
Emissionseinsparungen für E-Ladesäule können nicht genau berechnet werden
Auf Nachfrage erklärt das Wirtschaftsministerium, dass die Treibhausgaseinsparungen durch die Ladesäulen nicht genau berechnet würden, "da dafür eine Erhebung der individuellen Nutzung erforderlich wäre." Eine derartige Erhebung wäre aber unverhältnismäßig und sei aus Datenschutzgründen nicht möglich. "Es ist daher nicht bekannt, welche Fahrzeugarten an den öffentlich zugänglichen Ladepunkten laden." Um dennoch einen Wert in der Bilanz nennen zu können, "werden lediglich geschätzte Werte abgegeben". Dabei werde auch nicht berücksichtigt, welche CO2-Emissionen bei der Stromproduktion entstanden sind.
Für Stümpfig ist das Vorgehen inakzeptabel, es sei "einfach Klima-Betrug". Dass der Bericht dennoch in Summe "nur auf eine Einsparung von 0,73 Millionen Tonnen" komme, zeige, dass der Klimaschutz in Bayern noch immer nicht ausreiche. Verglichen mit dem Gesamtausstoß von 87,9 Millionen Tonnen sei das nicht einmal ein Prozent. "Anstatt CO2 Einsparungen zu verkünden, die es überhaupt nicht gibt, sollte Markus Söder wenigstens die wenigen Maßnahmen retten, die etwas bringen", sagte er. Aber mit dem 10.000-Häuser-Programm sei die Klimamaßnahme eingestampft worden, die 50 Prozent der Einsparungen einbrachte.
Klimaziele mit bisherigen Anstrengungen nicht erreichbar
In der Tat zeigen die Zahlen im Klimabericht, dass Bayern mit den bisherigen Anstrengungen sein selbst gestecktes Klimaschutzziel nicht umsetzbar ist. Bereits 2040 will der Freistaat klimaneutral sein. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent pro Einwohner im Vergleich zum Jahr 1990 gesenkt werden. Das bedeutet, dass die Emissionen bis dahin auf 3,5 Tonnen pro Kopf vermindert werden müssen. Würde der Einsparpfad aber so weitergehen, landete Bayern hier bei 4,2 Tonnen und wäre auch 2040 nicht klimaneutral.
"Die Anstrengungen im Klimabereich müssen in Bayern aber verfünffacht werden, um die eigenen, gesetzlichen Ziele zu erreichen. Danach sieht es momentan aber leider überhaupt nicht aus. Die Söder-Regierung droht bei der Einhaltung ihrer eigenen Klimaziele in Bayern krachend zu scheitern", sagte Stümpfig.
(Marco Hadem, dpa)
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