Die geballte medizinische und medizintechnische Kompetenz des sogenannten Medical Valleys, also der Region Erlangen-Nürnberg, soll sich ab kommendem Jahr bei der NürnbergMesse auch in einer eigenen Veranstaltung wiederfinden. Mit ihrem Debüt am 21. und 22. Juni 2017 wird die MT-CONNECT künftig als jährliche Fachmesse für alle Zulieferungs- und Herstellungsbereiche der Medizintechnik stattfinden.
Branche ist komplett in fränkischer Hand
„Wenn man bei den großen medizinischen Messen im arabischen Raum ist und am Bayernstand vorbeikommt, findet man kaum einen oberbayerischen oder schwäbischen Aussteller“, sagte Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU) bei der Vorstellung des neuen Messeformats in Nürnberg. Die gesamte Branche sei, zumindest was den Freistaat betrifft, komplett in fränkischer Hand. Sie sorge für eine Wertschöpfung von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr. „Damit liegen wir, wenn wir Bayern als eigenen Staat begreifen würden, vor Großbritannien und den Niederlanden“, so Pschierer. Er lobte die NürnbergMesse für ihre grandiose Entwicklung in den letzten Jahren: „Sie haben einen tollen Job gemacht!“
Dieses Engagement wird auch bei der neuen Messe MT-CONNECT nötig sein. Denn Messechef Roland Fleck erwartet, dass sich diese Fachveranstaltung in den kommenden Jahren zu einer Leitmesse entwickeln wird, wie es schon viele internationale und europäische Leitmessen am Standort Nürnberg gibt. „Wir werden nicht von Null auf Hundert gehen, sondern auf fränkische Art solide wachsen“, so Fleck.
Über 1000 Teilnehmer aus 20 Ländern
Das dürfte mit der MT-CONNECT auch ganz gut gelingen, denn die NürnbergMesse kooperiert hier mit dem ideellen Träger, dem Forum MedTech Pharma e.V. aus Nürnberg. Dieser Verbund repräsentiert laut seinem Vorstandsvorsitzenden, Professor Michael Nerlich, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg, 600 Mitgliedsinstitutionen aus 15 Ländern. Darunter befinden sich 70 Prozent Unternehmen, zehn Prozent Forschungsinstitute, neun Prozent Kliniken, vier Prozent Patent- und Rechtsanwälte sowie vier Prozent Vereinigungen und Kostenträger. Insgesamt sorgt dieser Verein aktuell für über 1000 Teilnehmer aus 20 Ländern beim diesjährigen Kongress „Medizin Innovativ – MedTech Summit“ in Nürnberg, in dessen Rahmen das neue Messeformat präsentiert wurde.
Auch der Kongress wird künftig jährlich stattfinden, parallel zur MT-CONNECT. „Ich bin Chirurg. Wenn jetzt der Austausch zwischen den Medizinern als Anwender, den Ingenieuren und den IT-Spezialisten intensiviert wird, ist das nur zu begrüßen. Wenn wir diese verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen und es uns gelingt, die Sprachbarrieren zwischen uns zu überwinden, folgt sehr viel Mehrwert“, prophezeite Nerlich.
Hohes Innovationspotenzial
Das zeige sich auch am hohen Innovationspotenzial der Medizintechnik, unterstrich der aus Neustadt/Aisch stammende Stefan Müller (CSU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. „Die Medizintechnikbranche ist die innovativste, die wir in Deutschland haben. All ihre Produkte sind jünger als drei Jahre. Und zwei Drittel dieser Produkte werden exportiert“, so Müller. Darum sei es auch ein großes Anliegen des Bundes, diesen Wirtschaftszweig zu fördern. 2015 arbeiteten laut Müller etwa 130.000 Menschen in den rund 1200 deutschen Medizintechnikunternehmen. Sie erwirtschafteten einen Gesamtumsatz von 28 Milliarden Euro – 19,2 Milliarden Euro davon im Ausland.
Laut schriftlichem Pressestatement von Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Pschierer beträgt der jährliche Umsatz dieser Branche weltweit rund 250 Milliarden Euro mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu acht Prozent. Allein im Freistaat gebe es in diesem Bereich mehr als 1000 Unternehmen mit etwa 80 000 Mitarbeitern.
Von diesem großen Wachstumspotenzial will auch Siemens profitieren. Doch das Geschäftsumfeld der medizinischen Versorgung verändere sich derzeit fundamental, so Bernd Montag, Vorsitzender der Geschäftsführung von Siemens Healthineers aus Erlangen. Es gebe enorme Konsolidierungen hin zu großen Krankenhausketten. „Von den heute rund 1000 Leistungserbringern in den USA werden bis 2020 nur noch etwa 200 übrig bleiben“, so Montag. Aber der Markt für Gesundheitsleistungen wachse. Chronische Erkrankungen, hervorgerufen durch eine immer älter werdende Bevölkerung, ungesunde Lebensweise oder unkontrollierte Urbanisierung mit ihren gesundheitlichen Risiken seien die Treiber.
Vergütungssystem wird sich verändern
Doch Montag zufolge werde es auch Veränderungen in den Vergütungssystemen des Gesundheitswesens geben. Die Abrechnung pro erbrachter Leistung, die Montag dazu führte, dass möglichst viele Leistungen erbracht wurden, werde abgelöst. Eine Inzentivierung des Heilungserfolgs und damit der Gesunderhaltung werde kommen. Außerdem komme ein Engpass an qualifiziertem Personal hinzu. Gemäß der World Health Organisation (WHO) werden bis 2035 rund 12,9 Millionen qualifizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen weltweit fehlen.
Für Montag ist die Konsequenz aus dieser Konstellation klar: „Sie zwingen Leistungserbringer dazu, Kosten zu senken und gleichzeitig die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.“ Diesen Transformationsprozess will Siemens Healthineers gemeinsam mit seinen Kunden erarbeiten. Denn davon profitiert das Unternehmen ja wiederum mit entsprechenden Verkaufserlösen. Aber auch die mittelständischen Zulieferer sollen laut Montag eine zentrale Rolle spielen: „Dabei haben wir als Platzhirsch die Mitverantwortung, dass alle voneinander profitieren.“
Insgesamt also gute Voraussetzungen für die neue Messe MT-CONNECT in Nürnberg. Die Termine für 2017 und 2018 stehen bereits fest. Angesichts des Branchenstrukturberichts des Forums MedTech Pharma belaufe sich der Umsatz des europäischen Medizintechnikmarkts auf derzeit rund 85 Milliarden Euro – mit stark steigender Tendenz. Da kann die neue Messe eigentlich nur ein Erfolg werden.
(Ralph Schweinfurth)
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