Wirtschaft

Die Vorstände Jürgen Gros und Alexander Büchel (rechts). (Foto: GVB)

11.03.2016

Gros kritisiert Trend zur Zentralisierung

Bayerns Volksbanken und Raiffeisenbanken wachsen weiter

Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sind dauerhaft erfolgreich und können auf ein dynamisches, abgelaufenes Wachstumsjahr 2015 zurückblicken, so Jürgen Gros, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Die Kundengelder der bayerischen Kreditgenossenschaften sind im vergangenen Jahr weiter angestiegen. Dem steht laut Gros eine ausgeprägte Investitionsbereitschaft im bayerischen Mittelstand gegenüber. Diese schlage sich in einer soliden Kreditnachfrage der Firmenkunden der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken nieder. Angesichts gut laufender Geschäfte würden die Unternehmen zudem Liquidität aufbauen, was ihnen Sicherheit gibt.

Das sind in Gros’ Augen gute Voraussetzungen für die Entwicklung der bayerischen Wirtschaft und verdeutliche, „die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken erfüllen ihre Aufgabe als verlässliche Finanzdienstleister. Sie reichen die Einlagen der Bürger als Kredite an Unternehmen in der Region aus“.

Bewährtes Geschäftsmodell


Denn trotz seit Jahren erfreulicher Zahlen könne eines kaum übersehen werden, erklärt Gros: Das bewährte Geschäftsmodell von regional tätigen Banken, wie den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken, werde auf europäischer Ebene infrage gestellt. „Wir erleben einen neuen Zentralismus.“ Die Pläne zur Zentralisierung der Einlagensicherung in Europa seien dafür ein Beispiel.
Darüber hinaus würden die Mitgliedsbanken neben der Zentralisierung den zunehmenden Dirigismus spüren. In ihre Geschäftspolitik wird laut Gros aufsichtsrechtlich immer tiefer eingegriffen. Damit werde die unternehmerische Freiheit begrenzt und das auch dort, wo Geschäftsmodelle nachweislich seit Jahren solide und erfolgreich sind. Die ständig wachsenden Meldeanforderungen würden insbesondere für Regionalbanken eine erhebliche personelle und finanzielle Belastung darstellen. Das Vorstandsmitglied ist sich auch sicher, dass die Regulierung zur Belastung der Kunden wird.

Für Gros ist klar: Die Entwicklung geht in eine falsche Richtung. Denn Zentralisierung und Dirigismus, „die hässlichen Töchter der Regulierung“, befördern vor allem eins: Gleichmacherei. Die Geschäftsmodelle der Banken werden vereinheitlicht. Am Ende stehe dann womöglich die kapitalmarktorientierte Einheits-Großbank. Das Ziel, die Finanzstabilität zu erhöhen, würde mit dieser Uniformität ad absurdum geführt. „Denn gleiche Geschäftsmodelle bedeuten Klumpenrisiken, Stresssituationen im Finanzmarkt breiten sich schneller aus. Das kann weder politisch noch aufsichtlich gewollt sein.“

Eine Risikodiversifizierung, wie es sie in Deutschland mit dem Drei-Säulen-Modell und seinen verschiedenen Geschäftsmodellen gibt, ist nach Gros’ Ansicht die beste Versicherung gegen Finanzkrisen. In der letzten Krise seien es doch regional tätige Institute gewesen, die systemstabilisierend wirkten. Auch dank dieser Institute sei eine Kreditklemme in Deutschland ausgeblieben. „Deshalb muss diese Struktur erhalten bleiben – im Interesse der mittelständischen Wirtschaft.“

Produktivität zählt


Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken setzen laut Gros weiterhin auf die einlagenfinanzierte regionale Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen. Dieses Geschäftsmodell stehe nicht zur Disposition – „jedenfalls, wenn es nach uns geht“. Falsch wäre jedoch, daraus abzuleiten, dass die Kreditgenossenschaften ihr Geschäftsmodell nicht laufend an die Anforderungen ihrer Kunden anpassen. Gleichzeitig würden sie unvermindert hart an ihrer Kostenstruktur arbeiten. Allerdings sei Kostensparen kein Selbstzweck, betont der GVB-Vorstand. „Mit Sparen allein überlebt keine Bank. Was zählt, ist ihre Produktivität. Und diese hat sich bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr insgesamt weiter verbessert.“

Natürlich müsse der Fokus angesichts des harten Wettbewerbs auf der Marktbearbeitung liegen. Denn die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken wollen für ihre Kunden auch in Zukunft der erste Ansprechpartner sein – dazu gehöre eine Filialpräsenz auch in der Fläche. „Daran halten wir fest.“
Die Bilanzsumme der 273 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken Institute stieg 2015 um 4,1 Prozent (+ 5,7 Milliarden Euro) auf 146,8 Milliarden Euro. Das war die höchste Zuwachsrate seit dem Jahr 2010, erklärte Co-GVB-Vorstandsmitglied Alexander Büchel.

Das Einlagengeschäft verlief ebenfalls positiv. Mit einem Plus von 4,7 Prozent (5,2 Milliarden Euro) verzeichneten die Banken laut Büchel einen spürbaren Anstieg der Kundengelder. Insgesamt hatten ihnen die Kunden zum Jahresende 115,1 Milliarden Euro anvertraut. Der Marktanteil bei den Kundeneinlagen belief sich nach vorläufigen Zahlen auf 19,0 Prozent.

Unterm Strich erwirtschafteten die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2015 ein bereinigtes Ergebnis vor Ertragssteuern in Höhe von 1,30 Milliarden Euro. Das sind 12,8 Prozent (192 Millionen Euro) weniger als 2014. „Dennoch liegt das Ergebnis wie in den letzten sechs Jahren immer noch deutlich über dem Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2014 von rund 850 Millionen Euro“, so Büchel. Damit können die bayerischen Genossenschaftsbanken ihre Kapitalbasis weiter stärken. Zum Jahresende wiesen die Institute eine komfortable Kernkapitalquote von 14,3 Prozent (2014: 13,4 Prozent) aus. Der Jahresüberschuss ging um 25 auf 500 Millionen Euro leicht zurück (- 4,7 Prozent).

Vorsichtig optimistisch


Für das laufende Geschäftsjahr blicken die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Vorsichtig, so Büchel, „weil ihnen das Arbeiten durch teilweise verfehlte und leider keineswegs in sich stimmige Regulierungen erschwert wird“. Das reibungslose Zusammenspiel der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie des Mittelstands wird laut Gros gestört.

Immer öfter greife der Staat den Bankleitern auch dort ins Steuer, wo überhaupt keine Gefahr droht.
Aufgabe des GVB sei es deshalb, auf mangelhafte Regelsetzungen hinzuweisen und – wo nötig – von Politik und Regelsetzern Nachbesserungen einzufordern. Das gelte zurzeit etwa für das von der EU-Kommission geplante Projekt einer Kapitalmarktunion. Diese zielt darauf ab, die Unternehmensfinanzierung stärker auf den Kapitalmarkt zu verlagern – obwohl kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland traditionell Bankkredite bevorzugen. Für Gros ist die Kapitalmarktunion schon im Ursprung ein dirigistisches Vorhaben.

Parallel dazu arbeitet die EZB an einem zentralen Kreditregister. Es trägt den Namen AnaCredit. Jeder Firmenkredit über 25.000 Euro, der zwischen Lissabon und Helsinki vergeben wird, soll dann in das Register eingetragen werden. Zu jedem einzelnen Kredit werden 100 Informationen gespeichert. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, muss eine mittelgroße Volksbank oder Raiffeisenbank einen Millionenbetrag investieren. Ebenso gehen die jährlichen laufenden Kosten für den Meldebetrieb über alle Kreditgenossenschaften in Deutschland hinweg in die Millionenhöhe. Klar ist für Gros: „Bezahlen werden das letztlich auch die Kreditnehmer.“

Keine Totalüberwachung


Bereits heute ist jedoch kaum eine Branche statistisch so gut erfasst wie der Bankensektor. Eine Totalüberwachung der Banken und ihrer Kunden ist laut Gros weder sinnvoll, noch notwendig. „Die Einzigen, die AnaCredit brauchen, sind Technokraten im EZB-Turm. Für sie ist AnaCredit ein Überwachungssystem. Es entspringt der Vorstellung, den Finanzsektor in Europa per Knopfdruck überwachen zu können. Zugespitzt kann man sagen: AnaCredit ist die kleine Schwester von Big Brother.“

Sollte das Projekt tatsächlich realisiert werden, spricht sich der GVB für eine Anhebung der Meldeschwelle auf eine Million Euro aus. Außerdem müsse es eine Freistellung zumindest für Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als drei Milliarden Euro geben. Laut Gros haben nur zwei Volksbanken/Raiffeisenbanken eine Bilanzsumme von mehr als drei Milliarden Euro.

Als ein bedauerliches Beispiel für die Zentralisierungsabsichten in Europa nennt Gros die geplante europäische Einlagensicherung, „für deren Etablierung gibt es keinen rationalen Grund“. Denn auf die Sicherungssysteme in Deutschland sei Verlass. Der Institutsschutz der Volksbanken und Raiffeisenbanken funktioniere seit über 80 Jahren reibungslos. Anderswo in Europa wurde der Sparerschutz lange stiefmütterlich behandelt. Deshalb habe EU-Kommissar Jonathan Hill vorgeschlagen, die Einlagensicherung in Europa zu zentralisieren. Die nationalen Systeme sollen damit de facto abgeschafft werden.

Eine gefährliche Idee


„Die zentrale Einlagensicherung ist eine gefährliche Idee. Deshalb lehnen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken die Vorschläge vehement ab“, erklärt Gros unmissverständlich. Denn eine zentrale Einlagensicherung bedeutet, dass Bankrisiken vergemeinschaftet werden. Für den GVB-Vorstand keine kluge Politik, „denn man kann einen Kranken nicht heilen, indem man die Gesunden infiziert“.

Wenn schlechte Wirtschaftspolitik Schäden anrichtet, dann trage den Schaden in einem europäischen Sicherungssystem nicht mehr der Verursacher – sondern die Gemeinschaft. „Das schafft Fehlanreize.“ Der GVB ist froh, dass die Entscheidungsträger in Deutschland die Sorge teilen und in Brüssel für den Erhalt der bewährten Einlagensicherungssysteme eintreten. Denn Zentralisierung und Dirigismus sind der falsche Weg, um das Ziel, leistungsfähige und stabile Banken zu erreichen. Der Gegenentwurf müssen zielgenaue und verhältnismäßige Regeln sein.

Strenge Qualitätskontrolle


Das will Gros nicht als Plädoyer für Deregulierung verstanden wissen. Vielmehr brauche man eine strengere Qualitätskontrolle in der Finanzmarktregulierung. Für jede neue EU-Verordnung, jede Leitlinie der Aufsicht, für jedes Bundesgesetz müsse man fragen: Erreicht eine Maßnahme ihr Ziel? Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es? Ist der Nutzen größer als die Kosten? Sind einzelne Regeln aufeinander abgestimmt?

In den letzten Jahren haben Politik und Regelsetzer viele Entscheidungen im Krisenmodus getroffen. Es musste schnell gehen. Eine sorgfältige Folgenabschätzung kam deshalb oft zu kurz. Da müsse nun nachgearbeitet werden, denn Schnelligkeit ist, so Gros, nicht unbedingt der beste Ratgeber.
(Friedrich H. Hettler)

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