Die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern blicken auf einen soliden Geschäftsverlauf in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021. Die Kreditvergabe legte weiter zu, teilte der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) mit. Was die Ergebnislage für das laufende Geschäftsjahr angeht, zeigte sich GVB-Präsident Jürgen Gros allerdings zurückhaltend: „Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken werden das Ergebnisniveau des Vorjahrs wohl nicht erreichen.“ Denn neben der guten Marktentwicklung gebe es auch zahlreiche Faktoren, die den Ausblick eintrüben. „Der politische und regulatorische Druck auf die Banken steigt, gleichzeitig wirkt die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weiterhin belastend auf das Geschäft“, betonte Gros.
Den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken ist es laut Gros in den ersten sechs Monaten des Jahres gelungen, die Kreditvergabe im Vergleich zum Vorjahr weiter auszubauen. Insgesamt haben sie bis Ende Juni 2021 Kredite in Höhe von 121,3 Milliarden Euro (2020 117,1 Milliarden Euro) ausgereicht, ein Plus von 3,7 Prozent. Im Privatkundenbereich wuchsen die Kredite um 3,6 Prozent (2020 +1,9 Prozent) von 51,8 auf 53,5 Milliarden Euro. Bei den Firmenkunden liege die Steigerung bei 4,1 Prozent von 61,9 auf 64,4 Milliarden Euro.
EZB agiert
außerhalb ihres Mandats
Im ersten Halbjahr 2021 vergaben die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken Förderkredite an Firmenkunden im Gesamtvolumen von knapp 2,5 Milliarden Euro, erklärte der GVB-Präsident. 85 Prozent davon entfielen auf Angebote der KfW, 15 Prozent auf solche der LfA. Corona-Förderkredite machten 281 Millionen Euro vom Gesamtvolumen aus. Im Vergleichszeitraum des Vorjahrs habe das Gesamtvolumen an Förderkrediten von KfW und LfA rund drei Milliarden Euro betragen, wobei 1,4 Milliarden Euro davon Corona-Förderkredite betrafen.
Das Kreditwachstum ist vor allem auf die Steigerung bei Immobilienkrediten zurückzuführen. „Volksbanken und Raiffeisenbanken bleiben starke Immobilienfinanzierer und helfen dabei, den Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen“, betonte Gros. Die Kredite für den Wohnungsbau legten um 4,6 Prozent zu und wuchsen von 66,1 auf 69,2 Milliarden Euro. An Privatpersonen vergaben die Banken 4,3 Prozent mehr an Immobilienkrediten. Das Volumen wuchs von 46,1 auf 48,1 Milliarden Euro.
Vor allem die Immobiliennachfrage im ländlichen Raum sei nochmals gestiegen, so Gros. Allerdings sehe er noch keine Tendenz zur Stadtflucht, jedoch einen klaren Kurs hin in nicht Urbane Gebiete. Dieser Trend sei durch die Einschränkungen im Zuge der coronabedingten Lockdowns weiter verstärkt worden. Gros: „Das hat einmal mehr den Wert des eigenen Gartens und der eigenen Immobilie im Grünen gezeigt. Wer das sucht, dem helfen die Volksbanken und Raiffeisenbanken als Kreditinstitute des ländlichen Raums.“ Auf den Trend zum Umzug in Richtung der ländlichen Räume reagieren auch Bauträger, die ihre Aktivitäten weiter verstärkt haben.
Die Immobilienkredite für Firmenkunden legten um 5,4 Prozent von 20 auf knapp über 21,1 Milliarden Euro zu.
Weiter gewachsen sind die Kundengelder, so der GVB-Präsident: Sie stiegen um 1,4 Prozent von 145,5 auf knapp 147,2 Milliarden Euro. Die Sparquote bleibt weiterhin hoch. Da die Konsummöglichkeiten durch Lockerungen der Pandemieauflagen in Gastronomie, Einzelhandel und bei Reisen wieder vielfältiger seien, würden die Einlagen allerdings weniger stark wachsen als noch 2020.
„Das Wachstum der Einlagen bleibt für Banken belastend“, machte Gros deutlich. Durch die anhaltende Negativzinspolitik der EZB gibt es für die Institute kaum rentierliche Anlagemöglichkeiten für die Kundengelder. „Die Negativzinspolitik der EZB zwingt die Banken dazu, Negativzinsen an ihre Kunden weiterzureichen beziehungsweise Verwahrentgelte zu erheben.“ Ursache und Wirkung seien eindeutig, betonte der GVB-Präsident.
Diesen Zusammenhang belege auch eine aktuelle Studie des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof, die dieser in Zusammenarbeit mit dem Verband der Sparda-Banken angefertigt hat. „Kirchhof kommt zu dem eindeutigen Ergebnis“, so Gros, „dass die Negativzinspolitik der EZB verfassungswidrig sei, weil sie Sparer enteignet. Die EZB überschreitet ihr Mandat. Wer Negativzinsen auf Einlagen verhindern will, der muss dafür sorgen, dass die EZB damit aufhört, außerhalb ihres Mandats zu agieren.“
Infolge der Negativzinspolitik der EZB erodiere auch die Zinsspanne der Kreditinstitute. „Für die Banken bedeutet das, dass sich mit jedem zusätzlichen Euro an Kundeneinlagen die Situation verschärft, rentierliche Anlagemöglichkeiten für die Kundengelder zu finden“, machte Gros deutlich. Die Banken fühlen sich zudem von Teilen der Politik im Stich gelassen. „Populistische Forderungen nach einem Verbot von Negativzinsen auf Guthaben, wie sie beispielsweise die Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder bei ihrer Sitzung im Mai erhoben hat, setzen an der falschen Stelle an. Sie schieben den Banken den Schwarzen Peter für eine Entwicklung zu, die diese nicht zu verantworten haben“, kritisierte der GVB-Präsident.
Handlungsspielraum der Banken wird geringer
Unter steigenden Druck gerate nicht nur das Zinsgeschäft der Institute, sondern auch deren Provisionsgeschäft. Hier komme der Druck von politischer Seite. So schlagen beispielsweise die Grünen und die Linke in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl vor, die provisionsbasierte Beratung abzuschaffen. Auch im Wahlprogramm der SPD finde sich ein ähnlicher Ansatz. In diesem Zusammenhang sprach Gros von einer „ordentlichen Verbotsorgie“.
Überlegungen zum Verbot von abschlussbasierter Provisionierung sollen vermeintlich dem Verbraucherschutz dienen. „Wer so einem Systemwechsel zur Honorarberatung das Wort redet, treibt jedoch in Wahrheit die Kunden von den beratenden Banken hin zu digitalen Anbietern, die keine Beratungsleistung erbringen. Nicht jeder kann sich, gerade bei niedrigen Anlagebeträgen, Honorarberatung leisten und ist in der Folge sich selbst und den Angeboten im Internet überlassen. Viele Kundengruppen werden dann von Beratungsleistungen abgehängt. Das schadet dem Verbraucherschutz“, betonte Gros.
Zu einem ohnehin schon schwierigen Umfeld würden höchstrichterliche Entscheidungen wie das Urteil des Bundesgerichtshofs zu AGB-Änderungen und politische Überlegungen wie ein Deckel für Dispozinsen oder für Gebühren an Geldautomaten kommen. „Die Folge könnte sein, dass Banken manche Leistungen künftig nicht mehr anbieten. Ich bezweifle, dass sich manche, die derzeit einen Gebührendeckel nach dem anderen für Bankleistungen fordern, darüber im Klaren sind, was das bedeuten kann“, mahnte Gros. Darüber hinaus werde die Ertragssituation für Banken immer schwieriger. Deshalb stellte er auch ganz provokant fest: „Wir leben in einer Markt- und nicht in einer Planwirtschaft.“
Aus Sicht des GVB-Präsidenten ist die Lage paradox: „Die Banken werden seitens der Politik und der Öffentlichkeit dazu aufgefordert, ihre Präsenz in der Fläche zu erhalten. Die Aufsicht erwartet von Banken die Stärkung ihrer Eigenkapitalausstattung. Während der Corona-Krise hat die Politik betont, wie wichtig die Leistungsfähigkeit der Banken sei. Gleichzeitig werden ihnen Instrumente, die dazu dienen, diese Leistungsfähigkeit auch künftig sicherzustellen, aus der Hand geschlagen.“
Die Einseitigkeit, mit der Banken ohne jede Differenzierung und ohne Berücksichtigung der möglichen Folgen zunehmend der Handlungsspielraum genommen werde, sei fatal. „Verlässlichen und soliden Heimatbanken wird durch populistische Forderungen zunehmend das Leben schwer gemacht.“ Es werde dringend Zeit, so Gros, sich des Wertes von Regionalbanken wieder bewusst zu werden, „deren Leistung für Gesellschaft und Verbraucher anzuerkennen und politisch entsprechend zu handeln“. (Friedrich H. Hettler)
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