In Bayerns Landratsämtern herrscht massiver Personalmangel. Der macht sich längst beim Immissions- oder Umweltschutz bemerkbar – die Bauindustrie klagt über längere Wartezeiten bei Bauprojekten. Doch seit der Corona-Krise rücken nun auch die fehlenden Stellen bei den Gesundheitsämtern in den Fokus.
Es ist noch gar nicht so lange her, da musste eine bayerische Verwaltung vor allem eines sein: möglichst schlank. Die Auswirkungen der eisernen Sparpolitik früherer Staatsregierungen spürt man in Bayerns Landratsämtern bis heute.
Dramatisch ist der Personalmangel nach jüngsten Recherchen der Staatszeitung in vielen Amtsstuben im Bereich des Technischen Umweltschutzes und bei den Unteren Naturschutzbehörden. Die Folgen sind jedoch nicht nur für den Natur- und Klimaschutz dramatisch (wir berichteten). Auch die Wirtschaft leidet darunter.
„Weil im Technischen Umweltschutz, im Immissionsschutz sowie bei den Naturschutzbehörden zu viel Personal abgebaut wurde, verzögern sich Bauprojekte“, sagt ein Sprecher des Bauindustrieverbands. Schließlich müssten diese umwelt- und immissionsrechtliche Aspekte prüfen. Er bemängelt auch, dass in anderen für Bauprojekte zuständige Behörden massiv Personal fehle.
Ein Blick ins Landratsamt Miesbach: Im Bereich Technischer Umweltschutz und Immissionsschutz sowie bei der Unteren Naturschutzbehörde klagt man in dem oberbayerischen Landkreis über einen eklatanten Personalmangel. In beiden Bereichen sind gerade einmal zwei Mitarbeiter für den gesamten Landkreis mit 100.000 Einwohnern und den vielen dort angesiedelten meist gut prosperierenden Unternehmen zuständig. „Mit dem vorhandenen Personal können nur ganz prioritäre Überwachungsaufgaben erfüllt werden“, sagt ein Sprecher des Landratsamts.
Gesetzesflut
Florian Brand, der Fachbereichsleiter Umwelt- und Naturschutz am Landratsamt, weist darauf hin, dass sich die Zahl der Verordnungen zum Bundesimmissionsschutzgesetz seit 1988 von 18 auf zuletzt 44 mehr als verdoppelt hat. Er spricht von einer „Gesetzesflut“.
Die Abwicklung von Verfahren im Baurecht wird dem Miesbacher Landratsamt zufolge „durch den Personalmangel negativ beeinflusst“. Die Fachleute seien zuständig für die Beurteilung von Planungen und Vorhaben, erläutert ein Sprecher und fügt hinzu: „Die Gemeinden brauchen die Expertise bei der Erstellung der Bauleitpläne.“ Denn diese seien nicht rechtskräftig, wenn sie gegen Gesetze verstießen.
„Damit ist eine ausreichende Personaldecke auch für Bauherren wichtig“, weiß Experte Brand. Auch anderswo im Freistaat fordern die Landräte mehr Personal. Als großer Chemiestandort mit sehr vielen Firmen leide man „sehr unter der unzureichenden Personaldecke“, sagt etwa Miltenbergs Landrat Jens Marco Scherf (Grüne). Andere Landratsämter wie etwa in Landshut klagen ebenfalls über zu wenige vom Freistaat bewilligte Fachkräfte.
Das FW-geführte bayerische Umweltministerium versucht gegenzusteuern. So will man 50 Biodiversitätshelfer einstellen. „Die Landratsämter sollen darüber hinaus personell insgesamt weiter gestärkt werden“, sagt ein Sprecher.
Ärztestellen abgebaut
Die Staatsregierung will 20 neue Stellen schaffen. Den Grünen reicht das jedoch bei Weitem nicht. Patrick Friedl, Sprecher für Naturschutz der Landtagsfraktion, fordert 100 neue Stellen für die Unteren Naturschutzbehörden „als Mindestausstattung“.
Und auch in anderen Bereichen wuchsen für die Landratsämter oder kreisfreien Städte zwar die Aufgaben massiv – jedoch nicht die Zahl der Mitarbeiter. Die teilweise Überforderung bayerischer Behörden seit dem Ausbruch des Corona-Virus hat anschaulich aufgezeigt, wie ausgedünnt dort die Personaldecke längst ist. So klagten etwa Menschen aus Risikogebieten, sie hätten lange auf Corona-Tests oder deren Ergebnisse warten müssen.
Vielerorts sind in ganz Deutschland Stellen in Gesundheitsämtern nicht besetzt – eine Anfrage, wie viele offene Stellen es im Freistaat sind, ließ das CSU-geführte Gesundheitsministerium zunächst unbeantwortet. In manchen Bundesländern ist die Lage katastrophal. Es gibt in Deutschland Regionen, in denen jede dritte bis zweite Ärztestelle bei den zuständigen Behörden unbesetzt ist. Dabei gibt es in den Ämtern ohnehin zu wenige Mediziner. Deren Zahl sank bundesweit allein von 1995 bis 2014 von 3830 auf 2528.
Stetig wachsende Aufgabenfülle
Auch in Bayern kritisiert etwa der Landkreistag einen bestehenden Personalmangel. Nicht nur im Umwelt- und Naturschutzbereich, sondern auch im Gesundheits- und Verbraucherschutz oder etwa im Bauwesen sei „die Personalausstattung schon heute zu gering, um die stetig wachsende Aufgabenfülle mit der auch von den Bürgern erwarteten Sorgfalt und in angemessener Zeit erledigen zu können“, sagt eine Sprecherin des Landkreistags.
Klar ist: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Chance, die Fehler seiner Vorgängerregierungen auszubügeln. Denn vor allem in Krisen braucht ein Land einen starken und vor allem funktionsfähigen Staat. (Tobias Lill)
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