Wirtschaft

Hier werden Flüchtlinge integriert (von links): Schulleiter Anton Staudigl, IHK-Hauptgeschäftsführer Siegmar Schnabel – von rechts: stellv. Schulleiter Rolf Sander, Klassenleiterin Sabine Wagner, IHK-Leiter Berufliche Bildung Rainer Kissing, IHK-Flüchtlingsakquisiteur Merouane Qsiyer. (Foto: IHK)

20.12.2016

Integration effektiv fördern

IHK Coburg startet bundesweit einzigartiges Pilotausbildungsmodell „3+1“ für Flüchtlinge

Die Industrie- und Handelskammer in Coburg geht neue Wege, um Geflüchteten einen Weg in die Arbeitswelt zu eröffnen. Per Speed-Dating hat sie junge Flüchtlinge ermittelt, die das bundesweit einzigartige „3+1“-Pilotausbildungsmodell durchlaufen sollen. Die erste Fachklasse des vierjährigen Ausbildungsmodells hatte im September ihre ersten Unterrichtsstunden an der Coburger Staatlichen Berufsschule I. Die derzeit 16 Schüler, aktuell noch ohne tiefgreifende deutsche Sprachkenntnisse, sind Flüchtlinge, die die IHK in einem Matching-Verfahren aus 80 Interessierten zwischen 17 und 40 Jahren ausgewählt hat.


Besonders an „3+1“ ist die Ausbildungsstruktur: Spracherwerb und Ausbildung finden nicht in zeitlich aufeinander folgenden Stufen statt wie bislang üblich, sondern von Anfang an parallel. Dies verlängert zwar die Ausbildungszeit um ein Jahr. „Den Unternehmen stehen aber damit dennoch qualifizierte Fachkräfte mindestens ein bis zwei Jahre früher zur Verfügung als im bisherigen abgekoppelten System“, erklärt der Coburger IHK-Präsident Friedrich Herdan.

Wirtschaftsministerin setzt sich für das Projekt ein

„Ich bin überzeugt, dass das Pilotmodell 3+1 ein entscheidender Schritt zur dauerhaft erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt und damit auch in die Gesellschaft ist. Ich habe mich daher von der ersten Idee bis zum fertigen Konzept für das Pilotprojekt eingesetzt und werde es auch in der nun folgenden Startphase aktiv begleiten“, verspricht Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).
Die jungen Afghanen, Eritreer, Syrer, Äthiopier, Usbeken und Iraker haben alle einen Fragebogen ausgefüllt und dabei ihre Fähigkeiten, Ausbildungsabschlüsse und Interessen angegeben. Anschließend führten sie vertiefende Gespräche mit Personalern von in und um Coburg ansässigen Unternehmen. Die Unternehmensvertreter informierten über Ausbildungsmöglichkeiten vor allem bei Metall- und Elektroberufen und ermittelten, inwieweit die Neigungen der jungen Männer mit den jeweiligen Ausbildungsinhalten zusammenpassen.

Ein Marokkaner ist IHK-Ausbildungsakquisiteur


Als Ausbildungsberufe stehen derzeit zur Auswahl: Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker, Zerspanungsmechaniker, Maschinen- und Anlagenführer, Mechatroniker und Elektroniker. Deutsch- und fachbezogener Unterricht findet an der Berufsschule statt. Unternehmen in Stadt und Landkreis Coburg übernehmen die betriebliche Ausbildung.

Als große Hilfe bei diesem Verfahren hat sich Merouane Qsiyer erwiesen, ein neuer Mitarbeiter der IHK zu Coburg. Der gebürtige Marokkaner lebt seit 2003 in Deutschland. Nach einem Automobiltechnik- und Managementstudium an der Hochschule in Coburg war er mehrere Jahre bei einem internationalen Konzern als externer Entwickler tätig. Seit August 2016 ist der 45-Jährige im Rahmen eines zweijährigen Projekts IHK-Ausbildungsakquisiteur für Flüchtlinge in Coburg. Qsiyer berät Flüchtlinge über die Möglichkeiten der dualen Berufsausbildung. „Bei fluchtbedingten Traumata, die die Ausbildung beeinträchtigen können, informiere ich über Hilfsangebote“, sagt Qsiyer. In Abstimmung mit Ausbildungsberatern der IHK und der Agentur für Arbeit akquiriert er vor allem Lehrstellen und motiviert Ausbildungsbetriebe, geeignete Flüchtlinge als Azubis einzustellen.

Mit Sprache und Mentalität vertraut


Beim „Speed Dating“ war Qsiyer ein wichtiger Ansprechpartner für die Flüchtlinge – nicht nur, weil er Arabisch spricht. „Wegen meiner Herkunft sind mir Kultur und Mentalität der meisten Flüchtlinge vertraut – ich kann mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und werde auch akzeptiert“, sagt Qsiyer. „Dank meiner beruflichen Erfahrung in der Metall- und Elektroindustrie finde ich schnell heraus, ob mir jemand etwas vorflunkert oder wirklich Erfahrungen und Interesse mitbringt.“ Herdan jedenfalls zeigt sich „überzeugt, dass unser Ausbildungsmodell die Integration der Geflüchteten sehr effektiv fördert, weil Spracherwerb, berufliche Ausbildung im Unternehmen, Theorie in der Berufsschule und selbstbestimmtes Leben durch eigenes Einkommen sich gegenseitig ergänzen“. Die Coburger Wirtschaft stelle sich „mit großer Verantwortung dieser aktuellen Herausforderung“, so Herdan.
(Jan Dermietzel)

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