Wirtschaft

Die Metzgerei Böbel aus Rittersbach bei Georgensgmünd ist schon seit dem Jahr 1997 online präsent und liefert mit dem Wursttaxi die georderten Spezialitäten aus. (Foto: Schweinfurth)

15.04.2016

Komfort ist für den Kunden entscheidend

Tagung „Zukunftsforum Handel“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken: Wie begegnet man dem Online-Handel?

Gleich zu Beginn der Tagung „Zukunftsforum Handel“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken bringt es Gastgeber und IHK-Präsident Dirk von Vopelius auf den Punkt: „Das Horrorszenario eines jeden Einzelhändlers sieht doch so aus: Der typisch fränkische Kunde kommt ins Geschäft und sagt: Ich schau mich bloß ein bisschen um. Dann scannt er das Preisschild seines Wunschprodukts, sendet es an ein Vergleichsportal, verlässt den Laden und ordert während des Nachhausefahrens das Produkt beim billigsten Anbieter. Und die Drohne liefert es noch bis zum Abend.“ Unter solchen Umständen braucht sich niemand mehr über Ladensterben und verödete Innenstädte zu wundern. Doch zum Glück gibt es Mittel und Wege, mit der zunehmenden Digitalisierung im Handel umzugehen. Service, Zusatznutzen und Kunden umgarnen, waren die am meisten genannten Begriffe der eintägigen Konferenz. Und IHK-Präsident von Vopelius, der sich mit Verkaufen auskennt, lieferte noch eine Punktlandung: Die Kombination aus Technik und Emotion sorge für einen erfolgreichen Verkaufsvorgang. „Ich als Verkäufer muss mir die Frage stellen, welche Rolle ich für meinen Kunden spiele? Bin ich Versorger, Problemlöser oder Unterhalter?“ In dieser Rollenkombination liege der Schlüssel zum Erfolg.

Noch dominiere mit 52 Prozent der traditionelle Käufer, so Ernst Stahl vom ibi research an der Universität Regensburg. Das ist eine gute Nachricht für die 472 Milliarden Euro Umsatz, die im letzten Jahr in Deutschlands Einzelhandel getätigt wurden. Lediglich 35,2 Milliarden Euro davon entfielen laut Stahl auf den E-Commerce. Doch die 31 Prozent selektive und die elf Prozent begeisterte Online-Shopper werden mehr. Der traditionelle Käufer, der nur in Geschäften einkauft, wird „aussterben“, so Stahl. Denn bei den unter 25-Jährigen, also den Konsumenten von morgen, sieht die Verteilung anders aus. Nur noch neun Prozent gehen laut Stahl traditionell einkaufen. 65 Prozent sind selektive und 26 Prozent begeisterte Online-Käufer.

Darum sind Einzelhändler wie Peter Schödlbauer vom Modehaus Schödlbauer (www.hemden-meister.de) aus Bad Kötzting (Landkreis Cham) auf dem richtigen Weg. Was er nicht im Laden hat, ist für den Kunden in Schödlbauers Online-Shop verfügbar. Damit hat er ein enormes Sortiment, das er in seinem Geschäft nie unterbrächte.

Grillbegeisterte erobern


Ähnlich hat sich laut Stahl auch die Firma Grimm aus Landshut aufgestellt. Unter www.hobbykoch.de finden Grillbegeisterte alles, was ihr Herz begehrt. Was nicht im Laden steht, kann man online ansehen und ordern. Sogar ein Foto von der eigenen Terrasse oder dem eigenen Balkon kann man in den Grillkonfigurator laden, um dann virtuell zu sehen, wie sich der neue Grill in der heimischen Umgebung macht. Bestsellerlisten im Laden und QR-Codes an den Produkten sorgen für Kundenservice. Denn der unschlüssige Kunde kann sich Stahl zufolge dann via QR-Code zuhause ganz gemütlich alles noch einmal auf dem Tablet ansehen und seine Bestellung aufgeben.

Bestellung online aufgeben und Ware liefern lassen, ist auch das Geschäftsmodell der Metzgerei Böbel aus dem Georgensgmünder Ortsteil Rittersbach (Landkreis Roth). Metzgermeister Claus Böbel setzt aufs Geschichtenerzählen, um seine Wurstwaren zu verkaufen. Sogar „Auslandsfranken“ aus Jamaika und Neuseeland hätten schon bei Böbel geordert. Neben einem Wursttaxi, mit dem die online bestellten Würste ausgeliefert werden, nutzt Böbel seine Phantasie, um bei den Menschen mit kurzen Mittelungen immer im Gespräch und Gedächtnis zu sein. Dieses „Herumspinnen“ hat sich zu einem Alleinstellungsmerkmal entwickelt, sodass größere Konkurrenten wie www.butcher-shop.de den mittelfränkischen Metzgermeister relativ kalt lassen.

Online präsent sein, aber im Netz nichts verkaufen ist das Konzept des Passauer Einrichtungshauses Garhammer. Die Webseite des Unternehmens will lediglich Emotionen wecken und die Kunden zum Einkaufen ins Geschäft locken. Ein angeschlossenes Sternelokal soll das Einkaufserlebnis abrunden und den Kunden zufrieden nach Hause fahren lassen.

Das „Zukunftsforum Handel“ zeigte viele Wege auf, wie man als Einzelhändler weiter gute Geschäfte machen kann. Denn: „Ein Online-Kanal ist nicht billiger als der stationäre Handel. Er verursacht eher höhere Kosten wegen der Werbung“, erläuterte ibi research-Experte Stahl.

Komfort für den Kunden ist entscheidend, kristallisierte sich bei der Fachtagung ganz deutlich heraus. So gewährt etwa das New Yorker Kaufhaus Macy’s 180 Tage Rückgaberecht und bietet eine mobile App, mit der man Fotos von Modestilen hochladen kann, die die Kunden gerne kaufen würden. Macy’s bietet anhand dieser Fotos dann eine Auswahl an Kleidungsstücken, erläuterte Sybille Wilhelm vom Fachmagazin Der Handel.

Gamification als Trend


Sie betonte auch, dass selbst in den USA der stationäre Handel nach wie vor gefragt ist. So habe erst vor Kurzem Saxs Fifth Avenue rund 400 Millionen US-Dollar in die Renovierung ihres Kaufhauses in New York gesteckt. Es bietet seinen jährlich 20 Millionen Besuchern auf 205.000 Quadratmeter Verkaufsfläche die größte Schuhabteilung der USA. Via ipad können die Mitarbeiter für die Kunden jedes paar Schuhe in kürzester Zeit zur Anprobe holen. Insgesamt sei Wilhelm zufolge ein zunehmender Trend zur sogenannten Gamification im Online-Handel in den USA festzustellen. Via Spiele und anderer virtueller Erlebniswelten würden die Händler versuchen, Kunden zu gewinnen und zu binden. „Da steht erst einmal nur das Spielen im Vordergrund, das eigentliche Kaufen kommt ganz zum Schluss“, so Wilhelm.

Betriebsübergaben fördern


Angesichts der vielen Möglichkeiten und kreativen Lösungen, braucht sich der bayerische Einzelhandel keine Sorgen machen. Etwas enttäuschend waren allerdings die Grußworte von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die gegen Ende der Veranstaltung lediglich mit Allgemeinplätzen aufwartete. Sie sollte sich zumindest dem Wunsch von Peter Schödlbauer annehmen, den die rund 200 Tagungsteilnehmer uneingeschränkt unterstützten, dass es nicht nur staatliche Förderung für Start-ups geben sollte, sondern auch für Betriebsübergaben. Denn oftmals müsse beim Generationenwechsel das Unternehmen neu aufgestellt werden, um weiterhin erfolgreich am Markt agieren zu können.

Eine wichtige Botschaft hatte die Ministerin aber trotzdem: „Kauft traditionell ein, bei euren Einzelhändlern vor Ort.“ Denn nur so lasse sich das Ladensterben aufhalten. Wenngleich die Gründe hierfür und für Leerstände nicht nur im boomenden Online-Handel liegen, wie ibi-research Experte Stahl betonte, sondern auch in den extrem hohen Pachten und der mangelnden Bereitschaft der potenziellen Betriebsnachfolger, sechs Tage die Woche im Laden zu stehen.
(Ralph Schweinfurth)

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