Er kam direkt aus Brüssel - und bemüht sich seitdem um frischen Wind in Bayerns Arbeitsagenturen und Jobcentern. Mit Ralf Holtzwart steht seit einem Jahr ein Mann an der Spitze der bayerischen Bundesagentur für Arbeit (BA), der überzeugt davon ist, dass Jobvermittlung besser laufen könnte, wenn sie nur besser organisiert wäre - und Mitarbeiter dabei motiviert mitziehen. Der 58 Jahre alte BA-Manager hatte zwölf Monate im Dienst der EU-Kommission europaweit die Arbeit der nationalen Arbeitsagenturen verglichen - und dabei die besten Jobvermittlungs-Projekte herausgefiltert.
Ob die guten Beispiele aus Spanien, Belgien, Norwegen, Finnland oder dem Baltikum auch tatsächlich für Deutschland taugen, das lässt Holtzwart nun in einigen bayerischen Arbeitsagenturen und Jobcentern testen - mit dem Ziel, mehr Menschen dauerhaft in Arbeit zu bringen. Neben den Arbeitsagenturen München und Augsburg dient seit dem Frühherbst auch das Jobcenter im ländlichen Cham in der Oberpfalz als Testlabor für die Jobvermittlung von Morgen. Was die Modellprojekte aber auch deutlich machen: In Bayerns Jobcentern und Arbeitsagenturen ist der Sprung ins 21. Jahrhundert längst überfällig.
Zartes Pflänzchen
Denn was bei Banken- und Versicherungen seit Jahren zum Service gehört, entwickelt sich gerade als zartes Pflänzchen in der Arbeitsagentur München: Online-Beratung. Seit gut zwei Monaten testen zwei Agenturmitarbeiter mit einem ausgewählten Kunden-Kreis die Betreuung von Arbeitslosen mittels des Messenger-Dienstes Skype: Betreute Jobsucher können sich online bei ihrem Betreuer melden und dann via Web-Kamera live aktuelle Fragen klären - wegen des strengen behördlichen Datenschutzes kein unproblematisches Projekt, gibt Holzwart zu bedenken.
Für Arbeitssuchende bietet das Modell nach Angaben des Geschäftsführers der Münchner Arbeitsagentur, Johannes Kolb, jedenfalls den Vorteil, Nachfragen rasch von Angesicht zu Angesicht klären zu können, ohne die Arbeitsagentur aufsuchen zu müssen. Die an dem Projekt beteiligten 20 Arbeitslosen hätten auf das Angebot "sehr positiv reagiert", versichert Kolb.
Ausgetretene Pfade verlassen
Das Verlassen ausgetretener Pfade übt man seit dem Frühherbst auch in der Arbeitsagentur Augsburg. Dort bietet man neben der klassischen Beratung von Arbeitslosen testweise auch Menschen mit einem festen Job eine berufsorientierende Beratung an. Dass es dafür einen großen Bedarf gibt, hat sich nach Angaben von Agenturchef Roland Fürst bereits in den ersten Wochen gezeigt: "Zu uns kommen Menschen, die unzufrieden mit ihrem jetzigen Job sind, wegen gesundheitlicher Probleme ihren Beruf kaum noch ausüben können oder merken, dass sich die Arbeitswelt verändert und sie sich schwer tun, in ihrem Job mithalten zu können", berichtet Fürst.
Auch wenn das nicht gerade die klassische Aufgabe der Arbeitsagenturen ist - Fürst hält das Thema "Berufsorientierung" dennoch bei seiner Arbeitsagentur für gut aufgehoben: "Wir haben schließlich das Know-how in der Agentur. Das wollen wir auch Leuten zur Verfügung stellen, die sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft machen". Die damit verbundenen unkonventionellen Arbeitszeiten stellten für eine Behörde aber schon eine gewisse Herausforderung dar, räumt Fürst ein. Denn Menschen mit Job hätten nun mal Probleme mit den üblichen Agenturöffnungszeiten.
Starker Flüchtlingszustrom
Ortswechsel: Der starke Flüchtlingszustrom in den vergangenen beiden Jahren hat das Jobcenter in der Oberpfälzer Kreisstadt Cham vor große Herausforderungen gestellt. Bei einer Arbeitslosigkeit von gerade mal 2 Prozent werden dort inzwischen mehr als 600 anerkannte Asylbewerber betreut, berichtet Jobcenter-Geschäftsführer Josef Beer. Weitere 400 bis 500 dürften in den kommenden Monaten noch hinzukommen. Beer hat daher nicht lange gezögert, als Holtzwart Modelle aus anderen EU-Ländern zur besseren Flüchtlingsbetreuung vorstellte.
Inzwischen hat sich das Jobcenter völlig neu aufgestellt. Wesentlicher Bestandteil des Konzepts: Als Lotse durch die fremde Jobcenter-Welt führt kein anderer als ein früherer Asylbewerber. Der mehrsprachige Iraker sondiert zunächst an einem Empfangscounter die Probleme der Flüchtlinge und vermittelt sie schließlich an Spezialvermittler - je nachdem, ob es um ein Praktikum, eine Lehre, einen Job oder um Weiterbildung geht. Ganz besonders schwierige Fälle landen bei Teamleiter Alexander Pauser. Er steht an der Spitze der von Mitarbeitern selbst entwickelten Beratungs-"Pyramide".
Das ist denn auch Holtzwarts zentrale Erkenntnis, die er von seiner einjährigen Tour durch Europas Arbeitsverwaltungen mitgebracht hat: Wenn Verbesserungen dauerhaft akzeptiert werden sollen, müssten sie von den Jobvermittlern selbst entwickelt werden. "Ich könnte jetzt die Unternehmensberater von McKinsey in die Agentur schicken. Das wirkt aber nicht, da wachsen nur die Widerstände". Deshalb hat er im Frühjahr alle 23 bayerischen Arbeitsagenturen und Jobcenter bereist und ihnen seine in der EU gesammelten Modelle vorgestellt. Inzwischen haben sich 16 davon für die Erprobung neuer Modelle entschieden. Die übrigen sollen später von den Erfahrungen profitieren.
(Klaus Tscharnke, dpa)
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