Wirtschaft

Wirtschaftlich gesehen ist Europa im globalen Wettbewerb ein Riese. (Foto: dpa/Philipp von Ditfurth)

21.02.2025

"Make Europe Great Again"

Ingo Friedrich (CSU), Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats, über die Rolle Europas nach Donald Trumps Amtsübernahme

Zölle sind der Tod des freien Handels. Klar, dass der neue US-Präsident diese nicht auf amerikanischen Waren sehen will, die in die EU exportiert werden. Aber seine Gegenzölle erzeugen lediglich eine Spirale, die nichts bringt. Ein Freihandelsabkommen wäre die Lösung. Doch bisher ist das in weiter Ferne.

BSZ: Herr Friedrich, wie sollte Europa auf die Politik des neuen, alten US-Präsidenten Donald Trump reagieren?
Ingo Friedrich: Offenbar gibt es eine Welt vor Trumps Präsidentenwahl und eine sich bildende neue Welt nach seiner Wahl. In der „alten“ Welt galten typisch europäische Werte beziehungsweise Tugenden wie Mitmenschlichkeit, regelbasierter Umgang mit anderen Ländern, Minderheitenschutz, Völkerrecht, Weltgemeinschaft der Völker, Anerkennung der UNO, Frieden ohne Waffen als weitgehend gesetzt und unantastbar. In der neuen durch Trump geprägten Welt haben ganz andere „Werte“ beziehungsweise Vorstellungen Vorrang: Recht des Stärkeren geht vor Stärke des Rechtes. Die Zahl der Soldaten ist nun ein zentraler Faktor. Welcher Geheimdienst bringt bessere Informationen? Wo haben die Techunternehmen wie Google, Apple, Microsoft, OpenAI und so weiter ihren Sitz? Es entsteht also so etwas wie ein globaler Wilder Westen nach dem Motto „Wer am besten schießen kann, gewinnt“.

BSZ: Dann braucht Europa also ein Schießtraining?
Friedrich: Nun, man kann das alles ganz schrecklich finden und dagegen große Reden halten. Wenn man aber nüchtern auf die heutige Welt blickt, muss man leider feststellen, dass diese „neuen“ Werte inzwischen global fast dominant geworden sind. In dieser neuen wilden Welt fühlen sich China, Russland und andere kleinere Autokraten durchaus wohl und zu Hause. Das ist sozusagen „ihre Welt“ und begonnen hat diese Welt schon mit Putins Überfall auf die Ukraine.

BSZ: Also: Wie soll Europa auf diese neue Welt reagieren?
Friedrich: Mit den Wölfen heulen, also mitmachen und auch so werden, uns also „anpassen“ an diese neue Welt? Damit würden wir unsere bisherigen Prinzipien über Bord werfen. Das geht also nicht. Dann würde Europa seine Seele verraten. Aber: Als einzige Großmacht auf der Welt einfach so bleiben wie wir sind, also Augen zu machen und abwarten bis die Welt wieder „vernünftig“ wird? Ist auch nicht realistisch.

Europa muss Doppelstrategie fahren

BSZ: Was ist dann realistisch?
Friedrich: Ich bin überzeugt, Europa muss eine Art Doppelstrategie fahren: Einerseits sollten wir unsere klassischen Werte beibehalten (unter Weglassung einiger Übertreibungen)! Andererseits sollten wir aber aufhören, so soft und extrem höflich und diplomatisch aufzutreten und zu handeln wie bisher. Auf einen groben Klotz gehört eben ein grober Keil. Dazu gehört es auch, unsere Stärken – wirtschaftliche Dynamik – spürbar auszubauen und unsere Schwächen, insbesondere bei der Verteidigung, konsequent und drastisch abzubauen. Hier liegen die wichtigsten Aufgaben der neuen deutschen Regierung.

BSZ: Und wie sollten die Europäer mit dem Säbelrasseln umgehen?
Friedrich: Wir sollten nicht zögern, bei Drohungen mit eigenen Ideen dagegenzuhalten. Wenn Putin droht, einen NATO-Staat – etwa im Baltikum – zu überfallen, können wir dagegenhalten und sagen, eigentlich passt die Enklave Königsberg wunderbar in die EU und ihre Bürger würden sicher gern die Wohltaten der westlichen Welt genießen. Wenn Trump Kanada übernehmen will, können wir sagen, eigentlich ist Kanada typisch europäisch und sollte im Rahmen eines Assoziationsvertrags eng an die Europäische Union angebunden werden.

Europäer sollten sich nicht kleiner machen als sie sind

BSZ: Ist das alles?
Friedrich: Nein. Vor allen Dingen sollten wir Europäer uns nicht kleiner machen als wir sind. Wirtschaftlich sind wir im globalen Wettbewerb ein Riese und wenn wir geschlossen auftreten und unsere militärischen Kräfte bündeln und die Erfahrungen mit den neuesten technischen Kriegswaffen aus der Ukraine nutzen, dann würde sich Putin mit Europa eine ziemlich blutige Nase holen. Das Risiko wird er nicht eingehen, zumal das atomare Schutzschild bleibt. Außerdem wackelt das Regime von Putin sichtbar, wenn man die Inflation von 11 Prozent, den Zentralbankzins von 21 Prozent und die Verlustzahlen von circa 200.000 Toten und Verwundeten einmal mit dem vorhandenen Potenzial – das Bruttosozialprodukt liegt in der Größenordnung von Spanien – vergleicht.

BSZ: Und Trump?
Friedrich: Er wird Europa nicht einfach in die Wüste schicken. Ohne Europa werden seine Deals ziemlich schwierig und weniger bedeutend. Auch er braucht ein westliches und prosperierendes Europa.

BSZ: Wie lautet Ihr Fazit?
Friedrich: Für Europa gilt es, nüchtern und mutig die Lage zu analysieren und eiskalt das Beste daraus zu machen. Merke: In jeder Herausforderung steckt auch eine Chance. Die Europäische Union als Erbe und Nachfolger des Römischen Weltreichs hat in den letzten 2000 Jahren schon ganz andere Krisen bewältigt und überstanden. Make Europe Great Again: MEGA!
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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