Wirtschaft

23.03.2012

Medical Valley reicht weit über Erlangen hinaus

Beim Branchendialog in Roth ist sogar Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis überrascht

Wer bei „Medical Valley Nordbayern“ (MVN) zuerst an die Kompetenzen in der Stadt Erlangen denkt, liegt falsch. Denn in der Europäischen Metropolregion Nürnberg gibt es wesentlich mehr Firmen, die Medizintechnik zu bieten haben. Der „Branchendialog MVN“ war zuletzt zu Gast in Roth.
„Leoni hatte ich bisher nur bei Automotive auf dem Radar“, bekennt Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU). Selbst  Präsidiumsmitglied des Medical Valley EMN e. V. ist er mehr als erstaunt, was Siemen-Jannes Meinders von den einstigen „Leonischen Drahtwerken“ medizinisch zu bieten hat. Denn immerhin ein Fünftel der über 3 Milliarden Euro Jahresumsatz macht Leoni im Geschäftsfeld „Gesundheitswesen“, neudeutsch Medical Care.
„Leitungen aus Kupfer oder Hybridmaterial, optische Fasern, Litzen und mehr“ führt Meinders als medizintechnische Hauptprodukte an. Und er berichtet: „In einem einzigen Kabel sind bis zu 174 Koaxialkabel drin, in Ultraschall-Geräten beispielsweise 96.“ Eine Komplexität, für viele Dialog-Gäste ebenso unvorstellbar wie die Dünne von Litzen mit 0,055 mm Durchmesser. Oder wussten Sie, dass ein Kabel mit einer Kamera am Ende für In-Körper-Beobachtungen gerade mal 0,55 mm dick ist?
„Nur“ 10 Prozent ihres Umsatzes machen Speck-Pumpen mit Medizintechnik. Doch scheinbar hat schon jeder Patient mal mit einer Pumpe aus der Hilpoltsteiner Firma mit mehr als 100 Jahren Tradition zu tun gehabt. Ob beim Zahnarzt, im Krankenhaus, beim Hausarzt des Vertrauens. „Sterilisatoren für Praxen oder Krankenhäuser, Flüssigkeitspumpen zum Kühlen in Röntgengeräten, Laserkühlung“ sind laut Speck-Mann Marc Stricker übliche Einsatzfälle der Pumpen, die „von wenigen Gramm bis 1,5 Tonnen schwer“ sein können.
Iba Dosimetry GmbH Schwarzenbruck, die Firma von Stefan Wölfel, beschäftigt sich „mit Qualitätssicherung in der Radiotherapie. Bestrahlungsgeräte müssen immer wieder überprüft werde, da sich die Geräte verstellen.“ Dafür baut Iba Messgeräte, deren „Kunden typischerweise Krankenhäuser“ sind. „Solche Geräte müssen täglich untersucht werden, monatlich genauer, dann kommen noch Halbjahreswerte dazu.“
Die exakten Strahlungsdosen von Röntgenanlagen zu bestimmen, „unabhängig von Herstellern“, dafür hat Iba laut Wölfel ebenfalls „Phantome“ im Programm, wie die Geräte genannt werden. „Außerdem haben wir ein Kalibrierlabor.“
Bühler Motoren – klar was die produzieren. Könnte man meinen. Doch wenn Bernd Frühwald über „kundenspezifische Antriebslösungen“ spricht, gerät man ins Grübeln. Gegründet wurde Bühler vor über 150 Jahren im Schwarzwald, stellte lange Zeit Uhren und Spielzeug her. Aus der Mechanik wurde immer mehr Elektrik.
Und zu Antrieben für Carrera-Renner und Fleischmann-Bahnen kamen auch Medizintechnik-Produkte, gefertigt in Monheim. „In einem Blutzuckermessgerät ist ein Acht-Millimeter-Motor mit Getriebe von uns“, nennt er eine Anwendung. Kein Wunder, dass von „1600 Mitarbeitern 120 Entwickler“ sind.
„Kein Medizinprodukt“ ist „Vmobile, die mobile Visite“ von Advanova. Firmengründer Bastian Bleisingers Start-Up-Unternehmen ist zurzeit „das einzige Unternehmen, das Berge von Papier durch die elektronische Variante einer Patientenakte ersetzt.“ Die Software lasse sich „in die bestehende IT-Landschaft des Krankenhauses integrieren. Die Uniklinik Erlangen setzt es inzwischen schon länger ein“, berichtet Bleisinger. „Auf dem Stationsgerät und der Bedside-Unit, auch auf Tablet-PCs“ lassen sich die Patientendaten darstellen. „Eine digitale Unterschrift ist nicht nötig: Man weiß ja, wer wann was eingetragen hat. So sind Medikationen nach Körperdaten wie Gewicht usw. möglich.
Das Programm kennt Kontraindikationen und berechnet die Dosis.“ Aber alles „ohne automatische Funktionen, sondern vom Arzt angeordnet“, erklärt Bleisinger. Dass er das Advanova-Produkt im Landkreis Roth vorstellt, obwohl die Ausgründung eines Erlanger Unilehrstuhls in der Hugenottenstatt angesiedelt ist, spricht laut Mitinitiator Siegfried Balleis für das gute Miteinander im MVN. Denn der „Branchendialog erfindet sich immer wieder neu. Seit 1997.“
(Heinz Wraneschitz)
www.medical-valley-emn.de

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