Wirtschaft

Einige Branchen bieten inzwischen 50 Tage und mehr Urlaub. (Foto: dpa/Jens Kalaehne)

03.03.2023

Mehr Urlaub statt mehr Lohn - ein Weg zur Fachkräftegewinnung?

Bundesweit steigt die Zahl der Firmen, die neue Beschäftigte mit zusätzlicher Freizeit locken - aber nicht alle Branchen können oder wollen mitmachen

Die Rekordinflation verharrt bei 8,7 Prozent. Und das von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geplante Abschleifen der kalten Progression – sie frisst Lohnsteigerungen vor allem bei mittleren Einkommen nahezu auf – liegt auf Eis. Gleichzeitig melden laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag mehr als 60 Prozent der deutschen Unternehmen Personalbedarf. Da braucht es neue Optionen, um den Leuten Lust aufs Arbeiten zu machen. Wenn sich mehr Lohn für die gleiche Arbeit steuerrechtlich kaum auszahlt – warum dann nicht einfach mehr Freizeit anbieten bei gleichem Lohn?

Immer mehr Firmen in Deutschland tun das. Sie gönnen ihrem Personal zusätzliche Urlaubstage; 40 Tage und sogar noch mehr sind keine Seltenheit. Die Plattform Joblift hat in den vergangenen zwei Jahren bundesweit bereits 132 Arbeitgeber mit entsprechenden Offerten registriert – und deren Anteil hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Der Rechtsanspruch für eine Vollzeitstelle liegt aktuell bei 24 Tagen Jahresurlaub, 28 Tage sind der Durchschnitt.

Bundesweite Vorreiter sind der Matratzen-Hersteller Caspar aus Berlin und der ebenfalls in der Bundeshauptstadt ansässige Carsharing-Anbieter Snappcar: Mehr als 50 Tage Urlaub pro Jahr sind dort inzwischen möglich. Doch nicht nur Mittelständlern wie diese beiden, sondern auch Großkonzerne schließen sich dem Trend an.

 

Wohlwollen beim Arbeitsministerium, Skepsis bei der vbw



Bei der Deutschen Bahn können Beschäftigte in einem Wahlmodell selbst entscheiden, ob sie lieber sechs oder zwölf Tage mehr Urlaub oder stattdessen zwischen 2,6 und 5,2 Prozent mehr Gehalt wollen. „Damit sind bei der DB bis zu 42 Tage drin“, so eine Sprecherin des Konzernbereichs Person & Recht. Beim Gewinnen neuer Lockführer für die Nürnberger und Münchner S-Bahnen mache sich das schon bemerkbar.

Im bayerischen Arbeitsministerium betrachtet man die Entwicklung mit Wohlwollen. „Grundsätzlich können längere Urlaubsansprüche eine Möglichkeit sein, die Attraktivität als Arbeitgeber in Zeiten zunehmender Fachkräftebedarfe zu steigern“, meint ein Sprecher von Ressortchefin Ulrike Scharf (CSU).

Skepsis besteht dagegen bei der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW): „Weniger arbeiten ist kein Mittel zur Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels“, befindet Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Fachkräfte mit mehr Urlaub zu locken, mag in Einzelfällen funktionieren, in der Breite aber nicht, ist Brossardt überzeugt. Denn mit einem höheren Urlaubsanspruch werde der Fachkräftemangel letztlich nicht gelindert, sondern verschärft, „da die Beschäftigten mit dem höheren Urlaubsanspruch dadurch ja auch mehr Tage im Betrieb fehlen als andere und entsprechend vertreten werden müssen“. In der Metall- und Elektroindustrie sieht Brossardt diesbezüglich keine Modelle.

Wobei es natürlich Branchen gibt, die das nicht bieten können. So ist schwer vorstellbar, dass etwa der chronisch unterbesetzte Kitabereich seinen Beschäftigten einfach 40 Tage Urlaub versprechen kann. Und körperlich anstrengende Jobs etwa in der Pflege werden mit mehr Urlaub auch nicht immer attraktiver. Das mussten die Medbo-Kliniken des Bezirks Oberpfalz erfahren. Dort werden seit vergangenem Jahr auch 40 Tage Urlaub angeboten. „Die Bewerbungen auf offene Stellen sind dadurch leider noch nicht gestiegen“, berichtet Pressesprecherin Lizzy Höller. Nicht immer also ist ein Zugewinn an Freizeit das Zaubermittel, um Personal zu gewinnen. (André Paul)

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