Auf den ersten Blick sieht alles aus wie in einem normalen Kaufhaus. Auf 1200 Quadratmetern gibt es allerlei Konsumgüter wie Kleidung, Porzellan, Bücher, Büromöbel, Sofas, Kühlschränke oder Waschmaschinen. Doch das Warenhaus der Diakonia ist ein Secondhandkaufhaus, in dem alles rund zwei Drittel günstiger ist als in normalen Geschäften. Sonst gibt es keinen Unterschied: „Die Kunden sollen sich bei uns wohlfühlen und nicht als bedürftig abgestempelt werden“, erklärt der Geschäftsführer Dieter Sommer bei einem Rundgang durch sein Haus im Rahmen des Wirtschaftsforums der Sozialdemokratie in München.
Die Waren erhält die Diakonia, die von der Inneren Mission München und dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat München getragen wird, von Privatspendern. In der Dachauer Straße 192 kann jeglicher Hausrat abgegeben werden – Möbel werden auf Wunsch sogar abgeholt. Alles, was nicht für mittellose Menschen verschenkt wird, kommt ins Kaufhaus. „Während der Flüchtlingskrise gab es eine unfassbare Warenflut“, erinnert sich Sommer. Damals musste eine Gebäuderuine als Lagerhaus genutzt werden. Jetzt gibt es nur noch ein kleines Lager, denn Stauraum kostet Geld. Es wird auch nicht alles angenommen, denn Müllentsorgung ist ebenfalls teuer. Lediglich Papier und Metalle lassen sich manchmal gewinnbringend entsorgen.
Spenden werden kontrolliert
Nach der Warenannahme werden die Spenden kontrolliert. Große Freude herrscht immer, wenn Herrenschuhe abgegeben werden. „Die sind so selten – das ist fast wie ein Sechser im Lotto“, sagt eine Mitarbeiterin und lacht. Neben der Sortierung von Kleidung machen vor allem Bücher viel Arbeit. Doppelte Exemplare werden an professionelle Gebrauchtbuchhändler verkauft, besonders seltene Exemplare von hauseigenen Spezialisten auf Auktionsplattformen versteigert. Gleiches gilt für Spiele, Schallplatten oder Bilder.
Bei Kunst hatten die Diakonia-Mitarbeiter zwar trotz professioneller Hilfe von Galeristen noch kein richtiges Auktionsglück. Einmal wurde aber in einer verstaubten Devotionalienkiste ein einbeiniger Holz-Jesus entdeckt, der für 700 Euro nach Spanien versteigert wurde. Ein anderes Mal befand sich in den gespendeten Kisten eine defekte Figur aus Meißner Porzellan, für die ein Händler sogar 1300 Euro bot.
Wenn hochwertige Spenden defekt sind, werden sie eigens in speziellen Werkstätten wieder auf Vordermann gebracht. Ein Mitarbeiter repariert nur Schuhe, ein anderen Uhren, einer Elektrogeräte wie Fernseher oder Kaffeemaschinen. Menschen mit dem dafür nötigen Know-how zu finden, ist nicht einfach. In der Wirtschaft würde sich der Aufwand gar nicht lohnen und die Dinge würden sofort auf dem Müll landen. „Unser Kaufhaus erfüllt daher auch einen ökologischen Sinn, weil wir ressourcenschonend arbeiten“, betont Sommer. Allein für die Herstellung einer neuen Jeans würden 8000 Liter Wasser benötigt.
Es geht um die Menschen, die "übrigbleiben"
Noch mehr als um die Umwelt geht es Sommer aber um die Menschen, die in der Gesellschaft „übrigbleiben“, also Unqualifizierte, Langzeitarbeitslose und Behinderte. „Das sind unglaubliche Schicksale“, erzählt er. Durch die Arbeit mit den Kunden will er ihnen eine Zukunft geben und der sozialen Isolation vorbeugen. „Viele unserer Beschäftigten haben eine chronisch psychische Erkrankungen und kommen auf Arbeitsmarkt nicht unter“, erklärt Sommer. Daher sind zusätzlich noch Sozialpädagogen angestellt.
Insgesamt arbeiten 450 Menschen bei der Diakonia, davon 200 im Secondhandbereich. Neben dem Kaufhaus gibt es noch sieben Ladengeschäfte und 150 Sammelcontainer in ganz München. Außerdem bewirtschaftet die Diakonie Kindertagesstätten, betreibt Beratungsstellen, Kleiderkammern für mittellose Menschen und ein Arbeitslosenzentrum – „die helfen Arbeitslosen, wenn es mit dem Jobcenter Clinch gibt“, ergänzt Sommer. Hinzu kommt ein Malerbetrieb, in dem zu 80 Prozent chronisch psychisch kranke Malergesellen arbeiten. „Die konkurrieren am Markt zu marktüblichen Preisen“, sagt Sommer stolz. Dennoch sei der Innungsbetrieb aufgrund des hohen Betreuungsaufwands wirtschaftlich nicht tragfähig. „Es ist für uns bei allem wirtschaftlichen Denken aber auch Auftrag, Menschen durch würdevolle Beschäftigung beruflich und sozial zu integrieren.“
Zusammenarbeit mit jeder föderalen Ebene
Finanziert wird die Arbeit der Diakonia zu 50 Prozent aus Eigenerträgen. Die andere Hälfte kommt von öffentlichen Zuschüssen, also beispielsweise für Lohnkosten und Qualifizierung. „Das Besondere bei uns ist“, erklärt Sommer, „dass wir mit jeder föderalen Ebene zusammenarbeiten.“ Das ist zum einen die Bundesebene, repräsentiert durch die Jobcenter. Diese förderten viele soziale Maßnahmen. Vom Freistaat kämen die Ausgleichsabgabemittel – das sind die Gelder, die Unternehmen, die keine Schwerbehinderten einstellen, zwangsweise zahlen müssen. Überörtlicher Träger ist der Bezirk Oberbayern. Dieser ermögliche Menschen mit Schwerbehinderungen einen Zuverdienst. Und dann gibt es laut Sommer noch die Stadt München.
„München nimmt viel Geld in Hand, damit sich Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einfinden“, bestätigt Anneliese Durst vom Arbeitsreferat der Stadt München bei der abschließenden Diskussion. Insgesamt würden jährlich 32 soziale Projekte wie zum Beispiel der „Weißen Rabe“, der Sozialbetrieb des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising, mit acht Millionen Euro gefördert. Dadurch sind 2000 Menschen in Lohn und Brot. „Die Diakonia ist nur ein Projekt davon – aber natürlich ein großes“, erklärt Durst. Diakonia-Chef Sommer habe vor 20 Jahren mit einem Budget von 60.000 Mark angefangen. „Es ist wirklich großartig, was er in dieser Zeit alles geschafft hat“, lobt sie und lacht. „Gerade weil städtische Stellen auch manchmal ganz schön widerborstig sein können.“
(David Lohmann)
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