Wirtschaft

Mit der Sicherheit der Strom- und Wärmeversorgung steht und fällt die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung. (Foto: dpa/Sebastian Kahnert)

21.02.2022

"Jeder sollte eine PV-Anlage auf sein Dach bauen"

Simon Schramm, Professor für Energiesysteme an der Hochschule München, zu den populärsten Kritikpunkten an der Energiewende

Die Fronten verhärten beim Thema Energiewende. Auf der einen Seite wollen Befürwortende deren Ausbau rasant beschleunigen, weil sonst die Folgen des Klimawandels nicht mehr beherrschbar seien. Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Kritik an damit verbundenen Eingriffen in die Natur und der Gefahr von Versorgungsengpässen.

 

BSZ Herr Schramm Ich wohne in einer Gemeinde; da gibt es aktuell zwei Windräder, die täglich zusammen zwischen 400 und 60 000 Kilowattstunden liefern – gleichmäßig stabile Versorgung sieht aber anders aus, oder?

Simon Schramm Ihr Stromverbrauch zu Hause schwankt wahrscheinlich zwischen 5 kWh und 40 kWh pro Tag, je nach Haushaltsgröße, Anzahl der Bewohner, Außentemperatur und Aktivitäten. Ihr täglicher Heizbedarf kann zwischen 5 kWh im Sommer und 200 kWh im Winter liegen. Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Bayern, ausgedrückt mit Saidi, lag im Jahr 2020 bei durchschnittlich 10,73 Minuten Versorgungsunterbrechung pro Jahr, eine stabile Versorgung, auch in Pfaffenhofen. Windkraft ist wie PV eine volatile Einspeisung, PV liefert nur tagsüber, Windkraftanlagen nur, wenn der Wind weht. Eine PV-Anlage liefert zwischen 0,1kWh und 7kWh pro installiertem kW Leistung. Eine Technologie an einem Ort ist nicht die Lösung für die Energiewende, wir brauchen einen Mix aus Erzeugungstechnologien, Sektorkopplung und Energieeinsparung. Und ein Umdenken und Ändern unserer Gewohnheiten, die aus Zeiten stammen, in denen nahezu unbegrenzte Energiemengen und Energiedichten zur Verfügung standen, die aber unsere Lebensgrundlagen zerstören. Kurzfristig können wir so weitermachen wie bisher, aber das gilt nicht mehr für die nächsten Generationen, angefangen bei unseren Kindern.

 

BSZ Deutschland will 2045 klimaneutral sein, meine Heimatstadt bereits 2035 – was habe ich als Bürger eigentlich konkret und praktisch von diesem vorauseilenden Ehrgeiz meiner Kommunalpolitiker?

Schramm Zunächst einmal stellt sich die Frage: Müssen wir klimaneutral sein? Nach einhelliger Expertenmeinung kann die Klimakatastrophe nur durch eine weltweite Reduzierung der CO2-Emissionen eingedämmt werden. Ein großer Teil der Emissionen geht auf das Konto der Energiewirtschaft (Strom), der Wärmeerzeugung und der Mobilität. Wenn wir also die sich bereits abzeichnende Klimakatastrophe eindämmen wollen, müssen wir unseren Beitrag leisten, zum Beispiel durch eine klimaneutrale Haltung. Offensichtlich tun wir das im Moment nicht, was bedeutet, dass die nächsten Generationen mit diesem Problem allein gelassen werden, die nächste Generation sind unsere Kinder! Wir sind noch weit von der Klimaneutralität entfernt, und ohne ehrgeizige Ziele werden wir sie nicht erreichen, aber diesen Zielen müssen Taten folgen. Die Notwendigkeit des Handelns ist seit langem bekannt, so wurde bereits 1988 ein erster Zwischenbericht "Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre" dem Deutschen Bundestag vorgelegt, dessen Ergebnisse im Wesentlichen nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben. Deshalb würde ich jetzt nicht von voreiligem Ehrgeiz der Kommunalpolitiker sprechen; vieles hätte längst angepackt werden können.

 

BSZ Was sind die konkreten Vorteile für die Bürger, wenn die Ziele erreicht werden?

Schramm Energieverbrauch und Versorgungssicherheit hängen mit dem Wohlstand zusammen. Wir verbrauchen Energie, und die muss in Zukunft CO2-neutral produziert werden. Ein lokaler Beitrag Ihres Heimatortes führt zu lokaler Wertschöpfung, durch Gewerbeeinnahmen aus dem Anlagenbetrieb, und die Gemeinde kann auch einen Teil der Einspeisevergütung für sich beanspruchen. Mehr Geld für die Kommune bedeutet lokale, sinnvolle Investitionen. Außerdem sollten die PV-Anlagen und Windräder durch Bürgerbeteiligung gebaut werden; die Anlagen werden rentabel sein, so dass auch hier ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Die lokale Erzeugung verringert die Abhängigkeit von externen Preissignalen, so dass jeder eine PV-Anlage auf seinem Dach bauen sollte, was ebenfalls rentabel ist und einen Beitrag zur Klimaneutralität leistet.

 

BSZ Für meinen Landkreis bräuchte es, um den Energiebedarf über regenerative Quellen decken zu können, bis 2040 rund 90 Windräder und 480 Hektar für Photovoltaikanlagen – umsetzbar ohne Zwangsenteignungen für die nötigen Flächen?

Schramm Zwangsenteignungen kennt man aus dem Kohlebergbau, dem Straßenbau oder anderen Großprojekten, bei denen auch das Land abgegeben werden muss. Bei regenerativen Erzeugungsanlagen wäre mir das neu: Meine bisherigen Erfahrungen aus vielen Gesprächen mit kommunalen Klimaschutzmanagern zeigen, dass es ein großes Interesse von Grundstückseigentümern gibt, ihre Flächen für regenerative Erzeugung zur Verfügung zu stellen, und sei es nur aus finanziellen Gründen, zum Beispiel durch erwartete Pachtzahlungen. Ich weiß nicht, ob man diese Menge an Anlagen wirklich braucht; offensichtlich wird auch im Landkreis Pfaffenhofen viel Energie verbraucht: Gehen Sie davon aus, dass auf einem Hektar (10 000 Quadratmeter) etwa eine 750- kW-PV-Anlage Platz findet, die etwa 750 MWh Strom pro Jahr produziert. Eine Windkraftanlage mit 3,5 MW Leistung produziert etwa 7000 MWh pro Jahr (160 Meter Nabenhöhe, 140 Meter Rotordurchmesser). Somit würden etwa 360 MW PV und 308 MW Windkraft im Jahr 2040 etwa 1 TWh Strom erzeugen. Das Verhältnis von PV- zu Windkraft scheint aufgrund der saisonalen Erzeugung vernünftig zu sein, wobei die PV-Erzeugung mehr im Sommer und die Winderzeugung mehr im Winter stattfindet. An der Hochschule München arbeiten wir in einer Arbeitsgruppe an genau diesem Thema: Wie viel Erzeugungskapazität braucht man von welcher Art (Windkraft, PV, Biogas, KWK), um das Ziel, zum Beispiel Klimaneutralität bis 2040, zu erreichen, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus, z.B. Flächenbedarf, CO2-Emissionen, Kosten, Eigenverbrauch oder Infrastrukturausbaubedarf? Ziel ist es, in einem datengestützten Dialog mit den betroffenen Bürgern aufzuzeigen, welche Konsequenzen bestimmte Konfigurationen haben, um schließlich gemeinsam eine Auswahl zu treffen, sich auf eine Konfiguration zu einigen und diese dann auch in die Umsetzungsphase zu bringen. Deutschland hat übrigens einen seit Jahren vergleichsweise konstanten Strombedarf von ca. 550 TWh und zusätzlich viel mehr Energiebedarf für Wärme und Mobilität.

 

BSZ Die Industrie sagt, sie braucht Versorgungssicherheit und das bedingt nach einhelliger Expertenmeinung zuverlässige Speichermöglichkeiten – die es aber nun mal noch nicht gibt?

Schramm Die Industrie braucht Versorgungssicherheit. Versorgungssicherheit bedeutet unter anderem, dass Energie erzeugt wird, wenn sie verbraucht wird, und zwar unmittelbar. Das elektrische Energiesystem hat von Haus aus keine Speicherfunktion; jede verbrauchte kWh muss direkt erzeugt werden. Ein Speicher scheint dazu naheliegend und notwendig. Der Stromverbrauch ändert sich zu jedem Augenblick, hat dies auch schon vor dem Ausbau regenerativer Erzeugung getan, und das System hat funktioniert. Bislang spielen Speicher, wenn man die vorhandenen Pumpspeicher ausklammert, keine wesentliche Rolle, Kraftwerke gleichen sich dem Verbrauch an, man spricht von Lastfolgebetrieb. Das wird auch in der näheren Zukunft weiter so sein. Durch den Ausbau regenerativer Erzeugung wird ein Teil des Verbrauchs durch diese gedeckt, der Rest zunächst weiterhin durch konventionelle Erzeugung. Dank guter Prognosen für die regenerative Einspeisung können konventionelle Kraftwerke in ihrem Einsatz gut geplant werden und die Erzeugung ergänzen. Speicher könnten Erzeugung und Verbrauch entkoppeln, was aber bei dem derzeitigen geringen Ausbau der erneuerbaren Erzeugung nicht notwendig ist beziehungsweise Speicher nur für spezielle Anwendungen wie Primärregelleistung vermarktet werden können. Für weitere, größere Speicher besteht daher derzeit kein Bedarf, weshalb sie auch nicht gebaut werden. Elektrische Speichersysteme kommen derzeit in zwei Bereichen hinzu: zusammen mit PV-Anlagen zur Erhöhung des Eigenverbrauchs und im Bereich der Elektromobilität. Beide Systeme tragen jedoch derzeit nicht zur Versorgungssicherheit bei und werden nicht netzdienlich betrieben.

 

BSZ Wie hoch ist eigentlich der aktuelle jährliche Bedarf an Strom und Wärme in Bayern – und wie viel davon decken die Erneuerbaren Energien ab?

Schramm Nach dem Monitoringbericht des bayerischen Wirtschaftsministeriums lässt sich für das Jahr 2020 ein Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergiebedarf von 21,9 % ableiten, d.h. für alle Energieverbrauchsbereiche, die sich u.a. in Wärme, Verkehr und Strom aufteilen lassen. Insgesamt wird ein Primärenergiebedarf von ca. 1746 PJ bzw. 485 TWh angegeben. Laut der von TU München, dem Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung (ZAE) und dem Bund Naturschutz veröffentlichten Studie 100 % erneuerbare Energien für Bayern aus dem Jahr 2021 liegt der Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor in Bayern bei rund 23 Prozent. Der Strombedarf wird im Monitoringbericht mit ca. 80 TWh angegeben, wovon zumindest bilanziell am Jahresende rund 53 Prozent aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Umgerechnet auf die 13 Millionen Einwohner in Bayern bedeutet dies einen Primärenergiebedarf von rund 35 000 kWh/a pro Einwohner in Bayern bzw. einen Strombedarf von 5800 kWh/a pro Einwohner in Bayern. Wenn Sie diese Zahlen mit Ihrem jährlichen Stromverbrauch vergleichen, werden Sie feststellen, dass Sie auch außerhalb Ihres Hauses weiteren Energieverbrauch verursachen.

 

BSZ Stand heute: Wie lang wird es dauern, bis die Erneuerbaren tatsächlich Kohle, Gas und Atomkraft komplett kompensiert haben?

Schramm Ich gehe davon aus, dass kompensiert alles dafür getan wird, die Energiebereitstellung durch fossile Erzeugung durch erneuerbare zu ersetzten. Die Gaskraftwerke werden vermutlich am längsten benötigt werden, um zum Beispiel in Dunkelflauten die Energiebereitstellung zu unterstützen. Je nach Ausbaugeschwindigkeit und Zusammensetzung des erneuerbaren Ausbaus werden die Betriebszeiten der Gaskraftwerke immer weiter sinken. Vermutlich werden nicht alle konventionell befeuerten Kraftwerke verschwinden, sondern einige werden, zum Beispiel durch die Verbrennung von Biogas oder grünem Wasserstoff, weiterhin Kraftwerksleistung bereitstellen, um das Energiesystem bei Bedarf zu stützen. Wie lange das dauert, hängt davon ab, wann wir mit welcher Ausbaugeschwindigkeit vorankommen, wie schnell wir von der Zielformulierung in die Umsetzung kommen. Dabei geht es nicht nur um den Bau von Erzeugungsanlagen, sondern auch um dazu angepasste Netzinfrastruktur, zum Beispiel werden zusätzliche Umspannwerke, Verteilnetze usw. benötigt. Und inwieweit wir in der Lage sein werden, unseren Energiebedarf abzusenken.

 

BSZ Ein 200-Meter-Windrad erbringt im Jahresschnitt die Leistung von zwei PKW-Motoren, heißt es – nicht allzu viel, oder? Warum liegt die Auslastung der Windräder teilweise nur bei rund zehn Prozent?

Schramm Ein 200-Meter Windrad für einen bayrischen Standort hat zum Beispiel eine Leistung von 3.5 MW, und erzeugt etwa 7000 MWh Energie im Jahr, abhängig von Rotordurchmesser und Standort. Damit können etwa 2000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Die Ausgangsleistung einer Windkraftanlage hängt ab von der zur Verfügung stehenden Windgeschwindigkeit, in 3. Potenz, das heißt: Verdoppelt sich die Windgeschwindigkeit, verachtfacht sich die Ausgangsleistung. Nachdem in den unteren Schichten der Atmosphäre kein kontinuierlicher Windstrom vorhanden ist, verändert sich auch die Ausgangsleistung entsprechend. Entscheidend bei der Energieerzeugung ist nicht nur die Energiemenge, sondern auch wann diese bereitgestellt werden kann. Insofern sind auch Anlagen, die weniger Energie produzieren, aber zu den richtigen Zeiten, vorteilhaft. Bei Windkraftanlagen wäre das im Wesentlichen im Winter, dort ist auch der Strom- und Wärmebedarf am höchsten. Allerdings: PKW-Motoren mit Windkraftanlagen beim Thema Auslastung zu vergleichen, überrascht mich. Wie hoch ist die Auslastung eines Autos? Selbst während der Fahrt wird vermutlich im Mittel eher 10 Prozent der Nennleistung des Fahrzeugs beansprucht, es sei denn man fährt auf einer Rennstrecke, zum Beispiel bei der Formel 1. Wenn man davon ausgeht, dass ein Auto nur eine Stunde am Tag bewegt wird, dann entspricht dies einer Auslastung von 4 Prozent bezogen auf den Fahrbetrieb. Ein Auto ist kein gutes Beispiel für ein System mit guter Ausnutzung beziehungsweise Auslastung.

 

BSZ Die AKW wurden abgeschaltet – aber weil die Erneuerbaren nicht ausreichen, werden immer noch Kohlekraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß genutzt: Ist das hinsichtlich der globalen Erwärmung nicht widersinnig?

Schramm Der Atomausstieg für Deutschland wurde am 30. Juni 2011 vom Bundestag mit einer Mehrheit von etwa 85 Prozent beschlossen, und von der breiten Mehrheit getragen. Dieses Thema ist Geschichte. Ein Wiedereinstieg, ein Neubau solcher Kraftwerke käme viel zu spät, wenn man Planung, Genehmigung und Bau einrechnet, und ist mit fortschreitender Energiewende aufgrund des unflexiblen Grundlastbetriebs nicht mehr notwendig. Insgesamt ist die Rolle der Atomkraft bis auf wenige Staaten nach meiner Meinung weit überbewertet. Solange der Ausbau der Erneuerbaren nicht vorangeht, müssen andere Kraftwerke eingesetzt werden, um unseren Stromverbrauch zu decken. Kohlekraftwerke haben die höchsten CO2-Emissionen je produzierter kWh. Insofern ist es wichtig, diese möglichst in der Energieerzeugung zu verdrängen, durch erneuerbare Erzeugung.

 

BSZ Lässt sich die Energiewende tatsächlich umsetzen, ohne dass die Preise für die Verbraucher dauerhaft steigen?

Schramm Jahrelang lag der Preis eines Emissionszertifikats, als finanzielle Kompensation in der Energieerzeugung, in einer Größenordnung von 20-30 Euro je Tonne CO2; derzeit liegt der Preis bei einem Allzeithoch von etwa 80 Euro je Tonne CO2. Nach Angaben des Umweltbundesamtes verursacht eine Tonne CO2 einen Schaden von etwa 180 Euro je Tonne CO2. Nach dem Verursacherprinzip müssten Kraftwerke mit besonders hohen Emissionen in der Energieversorgung also noch wesentlich teurer sein als Anlagen auf Basis erneuerbarer Erzeugung, die im Betrieb keine CO2-Emissionen verursachen. Aber auch ohne dies ist die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien deutlich günstiger als aus konventioneller Erzeugung. Für den in Großbritannien gebauten EPR-Kernreaktor (Hinkley Point C) ist eine Einspeisevergütung von 11,3 Cent/kWh für 35 Jahre garantiert. Im Vergleich dazu hat die neue Windkraftanlage in Fröttmaning bei München an einer Ausschreibung vom 1. Oktober 208 mit einem durchschnittlichen Zuschlagswert von 6,26 Cent/kWh teilgenommen und den Zuschlag erhalten. Ich gehe davon aus, dass die Energiepreise in Zukunft, je nach zeitlichem Energieangebot, viel stärker schwanken werden, und diese Schwankungen auch an die Kunden durchgereicht werden. Wenn Sie sich als Kunde auf mögliche variable Tarife einstellen können, und dem regenerativen Angebot zumindest teilweise folgen, gehe ich nicht von höheren Preisen für Verbraucher aus. Ganz zu schweigen von den Effekten der lokalen Wertschöpfung, der lokalen Bürgerbeteiligung und der Unabhängigkeit der Preise von externen Ereignissen, die sich durch lokale Energieerzeugung ergeben.

 

BSZ Ein häufig vorgebrachtes Argument gegen Windräder sind Lärm, Infraschall und Schattenwurf: Wie stark sind diese Faktoren im Vergleich mit anderen das verursachenden Geräten und gibt es valide Daten, dass die menschliche Gesundheit davon negativ beeinflusst wird?

Schramm Infraschall, tiefe Frequenzen, die für Menschen nicht hörbar sind, treten aufgrund der Druckschwankungen beim Windkraftrotor, aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel Verkehr auf. Laut einer Langzeitmessung des bayerischen Landesamtes für Umwelt LfU an Windkraftanlagen lag der Infraschall-Pegel bereits in einer Entfernung von 200m von der Windkraftanlage unter der Wahrnehmungsschwelle. Fazit des LfU: „ ...können nach heutigem Stand der Wissenschaft Windenergieanlagen beim Menschen keine schädlichen Infraschallwirkungen hervorrufen...“. Es gibt keinen Mangel an wissenschaftlichen Studien, die zu diesen oder ähnlichen Erkenntnissen kommen. Für Lärm wiederum gibt es Grenzwerte, die bei der Anlagenplanung überprüft, und bei der Umsetzung eingehalten werden. Auch der Schattenwurf wird im Rahmen der Anlagengenehmigung berechnet, und für angrenzende Wohngebäude bewertet. Gesetzliche Vorgaben regeln, wie viele Stunden im Jahr ein Schatten den Wohnort treffen darf. Überschreitet die Schattenbelästigung zum Beispiel 30 Stunden im Jahr, oder 30 Minuten am Tag, muss die Windkraftanlage für die Zeiträume der Schattenbelastung abgeschaltet werden.

 

BSZ Von Kritikern vorgebracht wird auch häufig das Argument, für den Bau eines Windrads müssen Bäume gerodet werden: Lassen sich die dafür bisher tatsächlich gefällten Waldflächen Bayerns in Hektar bemessen und stellt das tatsächlich einen nachteiligen Eingriff in die Natur dar?

Schramm Für den Bau einer Windkraftanlage werden rund  350 Quadratmeter für das Fundament versiegelt, zusätzlich müssen rund 3000 Quadratmeter oder 0,3 Hektar für Flächen neben der Anlage und Zufahrten gerodet und von Baumbewuchs freigehalten, aber nicht versiegelt werden.  Im Juli 2021 zerstörte ein Sturm im Ebersberger Forst an einem Tag die 33-fache Fläche an Bäumen, die für fünf in diesem Wald geplanten Windkraftanlagen gerodet werden müssten. Saurer Regen sowie die Auswirkungen des Klimawandels, wie die Schwächung des Waldes und der damit einhergehende Borkenkäferbefall, werden noch wesentlich mehr Waldfläche vernichten.

 

BSZ Um den Strom aus den Offshore-Anlagen von Nord nach Süd zu bringen, braucht es Trassen: Lassen die sich ohne signifikante Schäden an der Natur umsetzen?

Schramm Der Ausbau des Übertragungsnetzes lässt sich nicht ohne Eingriffe in die Natur realisieren, zumindest nicht während der Bauphase. Die geplanten Gleichstromübertragungsleitungen werden mit Kabeln in den Boden verlegt, die notwendigen Trassen dürfen nicht überbaut werden. Im Betrieb werden die Übertragungsleitungen Übertragungsverluste aufweisen, die in Form von Wärme in den Boden eingebracht werden und diesen erwärmen.

 

BSZ Gibt es valide Daten zu von Windräder getöteten Vögeln – ebenfalls ein von Kritikern vorgebrachtes Argument?

Schramm Laut einer Untersuchung des Bund Naturschutz sterben in Deutschland jährlich 100 000 Vögel durch Windkraftanlagen, im gleichen Zeitraum sterben in Deutschland 100 Millionen Vögel an Glasscheiben, oder durch Vogeljagd im europäischen Ausland. Windkraftanlagen können Sie bei diesem Thema nicht ausnehmen, in der Gesamtbetrachtung spielen sie aber sicherlich eine untergeordnete Rolle. Umweltverschmutzung, intensive Landnutzung, Flächenversiegelung oder auch der Klimawandel haben wesentlich größere Bedeutung, wenn es um Vogelsterben geht.

 

BSZ Es kursieren zahlreiche Vorschläge zum Ausbau: etwa der, die bayerischen Autobahnen mit PV-Modulen zu überspannen, die man nachts nach unten dreht, um das Solarpaneel mit dem Licht der Scheinwerfer zu speisen – realistisch?

Schramm In Bayern gibt es genügend Flächen für PV-Anlagen, die Installation auf oder über Straßen und Autobahnen sehe ich als nicht relevant. Solarpaneele mit Licht aus Autoscheinwerfern zu betreiben ist totaler Unsinn, genau wie die Nutzung von Mondlicht für PV.

(Interview: André Paul)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.