Nachhaltige Produkte, die auch noch Sozialstandards einhalten – gilt das auch für Spielwaren? Die Initiative „Fair Toys Organisation“ (FTO) versucht, dies zumindest bei den deutschen Firmen dieser Branche durchzusetzen.
Maik Pflaum, Geschäftsführer des „Nürnberger Bündnis Fair Toys“, will mit FTO „eine glaubwürdige Verifizierung und einen Multi-Stakeholder-Ansatz“. Soll heißen: Nicht nur die Hersteller und der Handel, sondern auch unabhängige Verbraucherorganisationen sowie die Vertretungen der Beschäftigten sollen gemeinsam hinter den Zertifikaten für „Gutes Spielzeug“ stehen.
Deshalb steht „Bitte einsteigen“ auf einer nagelneuen Druckschrift. Genau das nämlich fordert FTO von den Herstellern. Und die Organisation denkt dabei gerade an jene 230, die Mitglied beim Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) sind.
„Da müssen 15 Menschen in einem Raum vegetieren“
Denn die bisher freiwilligen Audits der Produzenten gerade in Asien brächten nichts, das bewiesen die jährlichen Spielzeugreports: „Die Untersuchung zeigt immer wieder: Da müssen 15 Menschen in einem Raum vegetieren, da wird kein Grundbedürfnislohn bezahlt. Selbst bei solchen Firmen, die nach dem Ethikprogramm der Weltspielwarenindustrie zertifiziert sind, gibt es solche Menschenrechtsverletzungen“, stellt Pflaum heraus, der bei der Christlichen Initiative CI Romero in Nürnberg beschäftigt ist.
Dass die FTO von Nürnberg aus startet, muss nicht verwundern. Denn hier hat nicht nur besagter DVSI seinen Sitz, sondern in der Noris ist auch die jährliche Weltleitschau „Spielwarenmesse“, auf Englisch „Toy Fair“. „Als Stadt des Spiels hat Nürnberg eine besondere Verantwortung“, erklärt die Grüne OB-Kandidatin Verena Osgyan. Sie möchte „die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 umframen in die Stadt des Fairen Spiels“. Ihre Partei hatte deshalb am letzten Tag der nur für Fachbesucher offenen Messe zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Und zwar nicht auf das Messegelände, sondern in einen Saal mitten in der Stadt, damit jeder und jede Interessierte teilnehmen konnte.
Neben Maik Pflaum diskutierten unter Leitung von Helga Riedl aus dem Menschenrechtsbüro der Stadt Ulrich Brobeil von besagtem Spielwarenverband DVSI und Margarete Bause. Letztere sitzt für die Grünen im Bundestag und hat dort ihren Arbeitsschwerpunkt auf Menschenrechte gelegt.
Vielen merkt man die Frustration an
Gerade Bause merkt man ihre Frustration an: „Seit über zehn Jahren zieht sich die gesetzliche Verankerung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht hin.“ Bisher habe es auch nichts geholfen, dass im Koalitionsvertrag der aktuellen Schwarz-Roten Bundesregierung ein „Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte steht. Es gibt dagegen Vorbehalte im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium“, sagt die Grüne MdB. Und das, obwohl laut Bause eine solche Vorschrift namens „Lieferkettengesetz“ selbst von Firmen wie Nestlé, Rewe oder Tchibo gefordert wird.
Doch die sind nicht aus der Spielwarenbranche. Wie bekommt man also die Spielzeugfirmen dazu, sich für fairen Umgang mit den Arbeitern und nachhaltiger Produktion zu begeistern? Ulrich Brobeil hat extra ein großes Schnappi-Krokodil vor sich auf den Boden gelegt. Denn dessen bekannter Hersteller „Heunec ist im Prozess dabei“, gehöre also zu den Vorreitern bei der Fair Toys Organisation FTO. Man sei halt noch am Anfang, erklärt Brobeil den Fakt, dass sich bislang gerade mal „zwei Hände voll Unternehmen“ FTO angeschlossen haben.
Er weiß zwar auch von ganz Großen der Branche, dass diese unabhängig davon CO2-Bilanzen für ihre Produkte erstellen lassen. Aber Brobeil ist mit FTO-Aktivist Maik Pflaum einer Meinung, der erklärt: „Wir brauchen ein Fair Toys-Siegel als klares Zeichen. Das gibt es nur für Produkte, in denen drauf steht, was drin ist.“ Was bedeutet: Bei Produkten mit diesem Siegel könne es keine „Totalüberwachung, Zwangsarbeit auch in internationalen Unternehmen, Verletzung von Arbeitsnormen“ mehr geben – alles Menschenrechtsverletzungen, die laut Margarethe Bause Human Rights Watch in einer aktuellen Studie aufgeführt hat“.
Klar, alle Podiumsteilnehmer wünschen sich Harmonisierung der Vorschriften in der EU. „Doch einer muss anfangen mit menschenrechtlichen Leitplanken“, auch da sind sich Industrievertreter, Politikerin und Menschenrechts-Aktivist einig. Denn die Freiwilligkeit habe ja nichts gebracht.
Oft undurchsichtige Lieferketten
Ein weiteres Problem sind die Materialien, aus denen Spielzeuge hergestellt werden: Gerade Verbraucher können deren Nachhaltigkeit momentan schwer bewerten, auch wegen der oft undurchsichtigen Lieferketten. Auch hierfür böte sich die FTO an, denn alle „Stakeholder“ würden darin eingebunden, wiederholt Maik Pflaum. Die Gründung sei im Übrigen in vollem Gange.
Doch viele Hersteller vertrauen bislang eher auf die Wirkung einer Aufnahme ihrer Produkte in die Innovationsschau der Spielwarenmesse oder des Toy Award, der dort jährlich verliehenen Auszeichnung. „Und obwohl“, so Moderatorin Riedl, „die Stadt Nürnberg geschafft hat, dass die Nachhaltigkeit in die Bewertung einfließt, waren Jugendliche, mit denen wir die Gewinner des Toy Award besucht haben, entsetzt!“. Denn auch heuer stand viel Plastik am Preisträgerbereich in Halle 3C.
Herausragende Ausnahme: Calculix vom EMS aus Ratzeberg. Die „Zahlenbausteine, mit denen Kinder mit viel Spaß beim Spielen Mathe lernen“, überzeugte die Toy-Award-Jury in der Kategorie für Start-up-Firmen. Aaron Bernd von EMS war sehr glücklich, dass „das ganze Markenkonzept aus Nachhaltigkeit und sozialem Engagement“ gewonnen hat. Zwei Serien gibt es von Calculix: Die mit Holzzahlen wird aus osteuropäischen Buchen höchstens 50 Kilometer vom Ernteplatz entfernt hergestellt und ist mit Bioöl eingelassen statt lackiert. Die sogenannte Konpakt-Serie produzieren „Menschen mit Beeinträchtigung aus Recycling-Flüssigholz im Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow“, klärt Berndt auf. Klingt wie sozial und nachhaltig gleichermaßen.
Viele sind regional verwurzelt
Ob ESM Mitglied im DVSI ist, war nicht zu erfahren. Aber andere alteingesessene Holzspielzeughersteller scheinen sich für das FTO-Siegel offen zu zeigen: Viele sind regional verwurzelt, produzieren oft noch in Deutschland. Deshalb ist Ulrich Brobeil sicher, „seine“ Firmen ziehen mit, auch wenn die kritische Masse noch nicht erreicht sei, denn: „Würde die Initiative für das Siegel scheitern, wäre es ein Imageverlust bei unserem Verband und bei der Initiative selbst.“ Deshalb, so der Verbandsgeschäftsführer, stehe das Thema „in jeder Vorstandssitzung des VDSI auf der Tagesordnung“.
Auch Maik Pflaum verbreitet viel Zuversicht; hofft zudem, dass ein auf EU-Richtlinien begründetes Lieferkettengesetz kommt: „Das katapultiert uns nach vorne“, also das Spielzeugsiegel und die Fair Toys Organisation gleichermaßen.
Und OB-Kandidatin Verena Osgyan sagt schon mal, was sie als Stadtchefin tun würde: „Wir könnten bei der Stadt-Tochter Nürnberg-Messe ansetzen. Denn die ist noch verhalten nachhaltig.“ Die Spielwarenmesse dagegen ist nur Mieter des Messegeländes während der Toy Fair. Auf sie hat die Stadt keine direkte Einflussmöglichkeit.
(Heinz Wraneschitz)
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