Wenn man fast sieben Stunden auf Facebook, Instagram und Whatsapp verzichten muss, ist das ärgerlich aber verschmerzbar. Wenn die Stromversorgung längere Zeit ausfällt, kann das aber lebensbedrohlich werden. Denn dann kommt auch kein Wasser mehr aus der Leitung, weil die hierfür nötigen Pumpen nicht mehr arbeiten.
BSZ: Herr Fischer, sind die Blackoutsorgen übertrieben?
Detlef Fischer: Im Grunde stellt sich die Frage so gar nicht. Der Blackout wird kommen, er ist nur eine Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Dimension des Ereignisses. Das ist wie bei der Kernschmelze bei der Atomkraft. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird sie bei jedem Reaktor passieren. Shit happens, das ist Murphys Gesetz. Die Lösung liegt darin, die Auswirkungen der Kernschmelze zu minimieren. Und so sollten wir es auch beim Blackout in der Stromversorgung halten. Wir müssen uns darauf vorbereiten, den Zeitraum ohne Strom möglichst gering zu halten und die Auswirkungen insgesamt zu begrenzen. Zwei Stunden ohne WLAN kann man zu Hause gerade noch aushalten, zwei Stunden ohne Strom im Krankenhaus kostet bereits Menschenleben.
BSZ: Trauern Sie der Kernkraft in Bayern nach?
Fischer: Wegen mir hätte man die Kernkraft in Bayern gewiss nicht vorzeitig außer Betrieb nehmen müssen. Ich habe meine ersten zehn Berufsjahre für diese Technologie gearbeitet und dabei viel über Sicherheitsphilosophie gelernt. Das hilft mir heute noch im normalen Leben weiter. Redundanz, Diversität, Fail Safe und Einfachheit sind Grundsätze, die für uns Kernis hohe Bedeutung haben. Große Teile unserer Gesellschaft, insbesondere die Ökos, lehnen die Kernkraft ab, haben aber null Problem damit, sich in ein Flugzeug zu setzen und Treibhausgase ohne Ende in die Atmosphäre zu ballern. Ich kann diese Haltung nicht verstehen. Für mich ist das Doppelmoral.
BSZ: Sind die erneuerbaren Energien schlecht für unsere Versorgungssicherheit?
Fischer: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist zwangsläufig mit einer dezentraleren Erzeugungsstruktur verbunden. Es müssen viel mehr Anlagen im Stromnetz gesteuert und geregelt werden. Mittlerweile produzieren rund 600.000 Anlagen Strom in Bayern. Der größte Teil davon produziert die Elektrizität hochvolatil, das heißt, die Menge der Stromerzeugung ist stark davon abhängig, ob der Wind weht oder die Sonne scheint. Das spielte so lange keine Rolle, wie das alte System über Großkraftwerke noch verfügbar war und immer dann eingesprungen ist, wenn Windkraft- und Photovoltaikanlagen eine Pause eingelegt haben. Die Großkraftwerke gehen jetzt sukzessive vom Netz. Die eigentliche Bewährungsphase des neuen Systems steht uns damit erst bevor. In ein paar Jahren werden wir wissen, ob man eine Gesellschaft, die es gewohnt ist rund um die Uhr bedarfsgerecht Energie zu konsumieren, auch mit erneuerbaren Energien auf vergleichbarem Niveau versorgen kann. Und natürlich gibt es zu diesem Experiment auch keine realistische Alternative. Die Kernkraft ist tot, die Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern ist klimaschädlich und die Kernfusion ist in weiter Ferne. Wir haben keine Wahl, wir müssen es versuchen.
BSZ: Werden uns unsere Nachbarn bei Stromknappheit aushelfen?
Fischer: Da habe ich meine Meinung seit der Corona-Pandemie geändert. Ich habe gelernt, wie schnell in der Krise jeder Staat wieder zuerst an sich denkt. Unsere Nachbarn werden uns nur solange aushelfen und sich das teuer bezahlen lassen, solange sie selber keine eigene Versorgungskrise haben. Die Bayern sind gut beraten, zumindest eine Grundversorgung an Energie über eigene Ressourcen aufrechterhalten zu können, und dazu gehören in zunehmender Weise auch dezentrale Strom- und Gasspeicher. Als windanlagengeplagter Oberfranke würde ich mich natürlich aber auch sehr freuen, wenn wir in Oberbayern mal wieder über ein richtiges Speicherwasserkraftwerkprojekt reden könnten. Die letzten Erfahrungen mit diesen Projekten waren ja sehr ernüchternd. Aber solange man in zehn Kilometern Entfernung um die Wieskirche keine Windkraftanlagen aufstellen darf, wird es halt schwierig mit der Energiewende im schönen Voralpenland. Man darf gespannt sein wie lange sich dieses Verhalten die weniger schönen Regionen noch gefallen lassen.
BSZ: Was raten Sie einem Unternehmer?
Fischer: Zunächst sollte jeder Unternehmer wissen, was in seinem Laden alles passiert oder nicht mehr passiert, wenn der Strom ausfällt. Wie gesagt, ein Stromausfall kann aus den verschiedensten Gründen eintreten, da kann auch ein Bagger daran schuld sein. Er sollte sich dann überlegen, wie lange er diesen Zustand tolerieren kann. Abhängig von dieser Analyse sind die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Das kann im Zweifel dann auch die Absicherung über eine eigene Notstromversorgung bedeuten, die völlig unabhängig von der öffentlichen Stromversorgung funktionieren muss. Jedes Krankenhaus ist damit ausgerüstet, das bayerische Wirtschaftsministerium im Übrigen auch. Toi, toi, toi, dass diese dann auch funktionieren. Denn ein Notstromaggregat ist nur so gut wie seine Wartung.
BSZ: Was raten Sie Privatpersonen?
Fischer: Da gilt das Gleiche. Man sollte sich vor allem darüber im Klaren sein, dass die Zentralheizung auch nicht mehr funktioniert, da die stromversorgten Pumpen ausgefallen sind. Wichtig für Photovoltaikanlagenbetreiber ist, dass diese regelmäßig nicht bei Stromausfall funktionieren, das Gleiche trifft für die meisten Blockheizkraftwerke zu. Ist das Netz spannungslos, schalten auch diese Anlagen ab. Ich kann mich dann mit meiner Familie wenigstens noch in das hoffentlich vollgeladene Elektroauto setzen und für ein paar Stunden die Heizung anmachen und Radio hören.
BSZ: Was raten Sie der öffentlichen Hand?
Fischer: Von den Behörden wird von der Gesellschaft bei einem längerfristigen Stromausfall schnelles und pragmatisches Handeln gefordert sein. Sie müssen sich vor allem um diejenigen kümmern, die auf dringende Hilfe angewiesen sind. Sie sind gefordert Versorgungsinseln und Anlaufstellen für die Bürger*innen bereitzustellen. Ob das überall gut klappt, da hätte ich meine Zweifel. Die letzten Katastrophenübungen und das Durcheinander zu Beginn der Corona-Pandemie haben mich da nicht zuversichtlicher gestimmt. Unsere Behörden beherrschen den Bürokratiealltag, aber nicht die Krise.
BSZ: Was funktioniert eigentlich alles nicht mehr bei einem Blackout?
Fischer: In unserer modernen Informations- und Konsumgesellschaft funktioniert ohne Strom eigentlich gar nichts mehr. Was früher noch mit Hand bedient werden konnte, ist heute im Normalfall elektrisch betrieben. Bei einem länger andauernden und vor allem großflächigen Stromausfall, sagen wir mal über acht Stunden, bricht das öffentliche Leben in Deutschland komplett zusammen. Batterien sind leer, Notstromaggregate haben keinen Treibstoff mehr. Nach wenigen Tagen kommt es vor allem im Winter zu Zuständen, die wir uns lieber nicht vorstellen wollen. Unsere komfortverwöhnte Gesellschaft wird da sehr schnell an ihre Grenzen stoßen, da bin ich mir sehr sicher. Die älteren Leute werden es besser wegstecken als die Jungen. Eine reibungslos laufende Energieversorgung wird als selbstverständlich angesehen. Das hat die Behandlung unseres betriebswichtigen Personals während der Corona-Pandemie gezeigt. Während die Väter von schwangeren Frauen bereits durchgeimpft waren, hat unser Personal in den Leitwarten immer noch auf die erste Spritze gewartet. Es ist noch mal gut gegangen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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