Zum „2. Bayerischen Verladertag Binnenschifffahrt“ in Schweinfurt hatte der Deutsche Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein Rhein-Main-Donau e.V. (DWSV) in Kooperation mit der IHK Würzburg-Schweinfurt eingeladen. In Praxisvorträgen wurden Perspektiven und Grenzen beim Gütertransport auf der Wasserstraße (Main, Main-Donau-Kanal, Donau) dargestellt.
Nach aufschlussreichen Erfahrungsberichten der industriellen Verlader, Logistikdienstleister und Verwaltung waren sich alle Teilnehmer und Referenten einig: Das Binnenschiff bleibt auch in Zukunft eine wichtige Alternative zur Bahn und zum Lkw. Um im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern bestehen zu können – so die einhellige Meinung der Teilnehmer – muss die Branche aber ihre Forderungen gezielter an die Politiker formulieren und konzertierter vorgehen. Nur durch Bündelung aller Kräfte und Stimmen kann sich die Branche in Berlin besser Gehör verschaffen. Auch die Schaffung einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung der Wasserstraße und ihrer Potenziale ist für die Zukunft unerlässlich. Denn die Wasserstraße ist der einzige Verkehrsträger mit nennenswerten Kapazitätsreserven. Im Vergleich zur Straße und Schiene ist sie zudem kostengünstiger und umweltfreundlicher.
Bedeutung der Wasserstraße
Michael Fraas, Vorsitzender des Deutschen Wasserstraßen- und Schifffahrtsvereins (DWSV), sprach in seiner Begrüßung den leichten Zuwachs beim Gütertransport an. Das Bundesamt für Güterverkehr verzeichnete für 2017 ein Plus von 2,2 Prozent bei der Beförderungsleistung (55,5 Milliarden Tonnenkilometer) und bei der transportierten Gütermenge ein Plus von 0,6 Prozent (222,7 Millionen Tonnen). „Der positive Zuwachs bei der transportierten Gütermenge zeigt, dass die Wasserstraße trotz Niedrigwasser eine gern genommene Alternative ist.
Aber leider ist der Leidensdruck trotz verstopfter Straßen für die verladende Industrie noch nicht so groß. Der Lkw bleibt weiterhin der attraktivste Verkehrsträger“. Als ein gelungenes Beispiel für einen Schwertransport über die Wasserstraßen verwies Dr. Fraas auf den Transformatoren-Transport der Siemens AG. „Das Siemens-Trafowerk kann die großen Hochleistungs-Transformatoren nur deswegen in Nürnberg produzieren, weil sie von hier sicher und zuverlässig auf der Wasserstraße abtransportiert werden können.
Der Transport zeigt, wie wichtig das hochmoderne trimodale Güterverkehrszentrum Bayernhafen Nürnberg für unsere Stadt als Industriestandort ist. Nürnberg hat erstklassige Bedingungen für Schwergut-Lieferungen in die ganze Welt.“ Jürgen Bode, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt und DWSV-Beirat, unterstrich in seinem Grußwort die kontinuierlich steigende Bedeutung der Transportbranche in der globalisierten, arbeitsteiligen Wirtschaft bei stetig wachsendem Verkehrsaufkommen.
„Trotz fortschreitender Neubauten sind große Teile unserer Verkehrsinfrastrukturen an ihrer Belastungsgrenze angelangt und die Instandhaltung stellt eine zunehmende Herausforderung dar. Die Wasserstraße ist der einzige Verkehrsträger, der noch nennenswerte freie Transportkapazitäten aufweist. Doch obwohl das Binnenschiff als effizientestes Transportmittel gilt, stagniert dessen Anteil am Modal Split der Gütertransporte seit Jahren auf niedrigem Niveau. Deshalb ist der DWSV ein wichtiger Akteur und wir sind über-zeugtes Mitglied. Gemeinsam mit unseren Schwesterkammern bemühen wir uns in vielfältiger Weise um den Verkehrsträger Wasserstraße im Kanon der Verkehrsinfrastrukturen. Sichtbar wird dies auch im aktuellen 12-Punkteprogramm Verkehr, das im Juli 2018 gemeinsam mit den anderen fränkischen Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern veröffentlicht wurde“, so Bode.
Giganten unterwegs
Stefan Strobel, Kaufmännischer Leiter im Transformatorenwerk Nürnberg der Siemens AG, präsentierte in seinem Vortrag die Rekord-Trafotransporte von Nürnberg nach China. Am 26. Januar 2018 ging der erste von vier Rekord-Trafos vom Bayernhafen Nürnberg aus auf Weltreise nach Nordchina.
Die Giganten schlagen alle bisherigen Rekorde: Zwischen den chinesischen Metropolen Changji und Guquan liegen 3284 km, etwa die Entfernung von Lappland nach Barcelona. Changji und Guquan werden 2018 mit einer Hochspannungs-Gleichstromübertragungsstrecke (HGÜ) verbunden, die eine Übertragungsgleichspannung von 1100 Kilovolt (kV) hat – weltweit die größte und erste HGÜ dieser Art. Siemens fertigt dafür unter Führung des Trafowerks in Nürnberg in Zusammenarbeit mit seinem chinesischen Transformatorenwerk in Guangzhou die weltweit ersten 1100-kV-Stromrichtertransformatoren – mit einer Leistung von 587,1 Megavoltampere die leistungsstärksten der Welt.
Der Trafo der Superlative bringt 537 Tonnen auf die Waage und misst beeindruckende 13,6 x 6,14 x 5,9 Meter. Die gesamte logistische Kette organisierte die Züst & Bachmeier Project GmbH – inklusive 8 km Straßentransport vom Siemens Transformatorenwerk Nürnberg zum Bayernhafen Nürnberg, Umschlag aufs Binnenschiff, Transport auf der Wasserstraße nach Antwerpen (BEL), Umschlag aufs Seeschiff und Seetransport bis China.
Der nächtliche Straßentransport zum Bayernhafen Nürnberg umfasste mehrere Schlüsselstellen wie die Bahnunterführung Minervastraße und verschiedene Brückenbauwerke. Für das Einsatzfahrzeug mit Maßen von 64,30 (!) x 7,45 x 6,45 Meter und bei einem Gesamtgewicht von 875 Tonnen war dies Millimeterarbeit. Am Vormittag erfolgte der Umschlag des Mega-Trafos per hydraulischer Litzenhubanlage aufs Binnenschiff. Die Reise nach Nordchina dauert insgesamt rund drei Monate.
Neue Möglichkeiten leistungsfähiger Knotenpunkte bei der Vernetzung von Transportlösungen stellte Klaus Hohberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bayernhafen GmbH & Co. KG, vor. In seinem Vortrag zeigte er Praxisanwendungen auf, wie sich die Vorteile von Bahn (Geschwindigkeit) und Schifffahrt (Preis) zu einem integrierten Transportkonzept entwickeln lassen, um limitierende Faktoren zu reduzieren. Dabei ließ sich anschaulich nachvollziehen, wie ab Passau im Westverkehr der Donau in einem exakt aufeinander abgestimmten Umlaufsystem sowohl die volle Abladung in der Schiffskapazität als auch die Geschwindigkeit der Bahn zu einem wirtschaftlichen Gesamttransport verknüpft werden können. Damit lassen sich auf der Strecke interessante und zuverlässige Alternativen vor dem Hintergrund der Niedrigwasser-Problematik auf der Donau anbieten. Zentraler Faktor für diese neuen Möglichkeiten ist ein erheblicher Entwicklungssprung in der Umschlagtechnologie. Bayernhafen schafft dies zum Beispiel durch neue Krananlagen mit 120 Tonnen Tragkraft und der Entwicklung einer automatisierten Traverse.
Platzsparend und witterungsgeschützt
Einen völlig neuen Ansatz zur Flexibilisierung der Schiffsladung bei Wasserstandsänderungen zeigte Hohberger mit dem Einsatz von Schüttcontainern auf, die automatisiert durch Vertikaldrehung entleert werden können. Abladebezogene „Übermengen“ bei Niedrigwasser oder bei aneinandergrenzenden Ausbaustandards der Wasserstraßenklasse können darin platzsparend und witterungsgeschützt gelagert, in gemischter Ladungskombination und verkehrsträgerübergreifend, zum Beispiel per Bahn, weitertransportiert werden. Eine Rückladung von der Bahn auf das Schiff an passender Stelle ist damit schnell und wirtschaftlich darstellbar. Interessant wird dies unter anderem, wenn der Main bis Aschaffenburg auf 3,10 Meter Abladetiefe ausgebaut sein wird und der Hafen dort eine neue Funktion als Kopfhafen erhält. „Man muss sich den heute restriktiven Rahmenbedingungen auf der Wasserstraße nicht tatenlos fügen. Investitionen in neue Technologielösungen können zu einer Frischzellenkur auch für traditionelle Transportlösungen führen“, so sein Credo.
Der Verkehrsausschuss der IHK Würzburg-Schweinfurt erörterte aktuell die Ursachen für den stagnierenden Anteil der Binnenschiffstransporte am Modal Split aus Sicht der mainfränkischen Wirtschaft mit dem Ziel, die Potenziale des Transportweges Wasserstraße künftig besser nutzen zu können. Die Ergebnisse präsentierte der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Hein Vedder.
Im Bereich der Infrastruktur ist die geringe Fahrrinnentiefe der Donau zwischen Straubing und Vilshofen von zwei Metern unter Regulierungsniederwasserstand (RNW) ein wesentlicher limitierender Faktor für Verkehre in Richtung Österreich und Balkan. Dies erlaubt Güterschiffen nur Passagen mit deutlich verringerter Zuladung, was ein zeitaufwendiges, teures Umleichtern eines Teils der Ladung erfordert. Für die Mehrzahl der Güter können so keine wettbewerbsfähigen Transportangebote im Wettbewerb mit den Verkehrsträgern Straße und Schiene realisiert werden. Weitere Einschränkungen und Minderauslastung für die Schifffahrt auf Main und Donau verursachen Brücken mit geringen Durchfahrtshöhen unterhalb der Ausbauziele von 6,40 Meter beziehungsweise 7,40 Meter über HSW (höchster Schifffahrtswasserstand), wie zum Beispiel die Alte Mainbrücke Würzburg mit 5,31 Meter über HSW.
Gesetzlicher Bestandsschutz (Denkmalschutz) ermöglicht hier mittel- und langfristig keine Verbesserung. Standhaltungsprobleme einzelner Brückenbauwerke (zum Beispiel Marktheidenfeld und Lohr) haben ebenfalls Einschränkungen für Zuladung und Fahrgeschwindigkeit zur Folge. Lösungen sind in Planung, müssen aber zügig umgesetzt werden. Im Bereich einiger Schleusen besteht ein Mangel an Liegeplatzkapazitäten, was die Fahrtenplanung der Binnenschiffe verkompliziert. Vor allem fehlen Liegeplätze für Tankschiffe.
Damit erforderliche Neubau- und Instandhaltungsprojekte zeitnah realisiert und vorhandene Investitionsmittel ausgeschöpft werden können, ist eine zügige Aufstockung der unzureichenden Fachplanungskapazitäten bei den zuständigen Behörden unerlässlich. Wettbewerbsfähige Konditionen könnten am regionalen Arbeitsmarkt Abhilfe schaffen, um geeignetes Personal zu finden. Ein weiteres Hemmnis bei der Aktivierung des Verkehrsträgers Binnenwasserstraße stellt die Verknappung der Mainfranken einfahrenden Binnenschiffe dar. Dies resultiert aus den niedrigen Verkehrszahlen von und nach Süden wegen der Fahrrinnenproblematik der Donau im Abschnitt Straubing – Vilshofen sowie aufgrund entfallender Kohletransporte im Rahmen der Energiewende. Wegen dieser Asymmetrie zwischen in Mainfranken nachgefragtem und vor Ort angebotenem Ladevolumen sind die Preise der Binnenschiffstransportleistung häufig nicht wettbewerbsfähig zu Lkw oder Bahn.
Kombitaugliche Flussschifffahrt
Ingo Ritsch von Danubia Kombi präsentierte ein neu entwickeltes Verkehrssystem, das den Kombi-nierten Verkehr auf Wasserstraßen ermöglicht: „Wir haben ein Stapelsystem entwickelt, das es ermöglicht, mit herkömmlichen Schiffseinheiten das zwei- bis dreifache Ladevolumen im Vergleich zu bisherigen Systemen zu transportieren. Die Transporteinheiten werden auf eigens entwickelten Plattformen (Flats) verladen und können so in mehreren Ebenen mittels Kran verladen werden. So werden Trailer, Wechselaufbauten, lose Güter, Fahrzeuge, Maschinenteile und andere Güter kran- und stapelbar. Damit wird die Flussschifffahrt wesentlich effizienter und kostengünstiger als andere Verkehrssysteme.“ Mehr Infos unter www.danubia-kombi.com im Internet.
Elmar Wilde, Amtsleiter Wasserstraßen Neubauamt Aschaffenburg, gab einen Überblick zum aktuellen Stand des Mainausbaus. Mit Ausnahme des Abschnitts Wipfeld-Limbach (2,50 Meter Fahrrinnentiefe) ist der Main bereits auf 2,90 Meter Fahrrinnentiefe ausgebaut. Der verbliebene Abschnitt befindet sich derzeit in Planfeststellung oder Ausbau. Mit dem Mainausbau an der Stauhaltung Schweinfurt wurde Ende Oktober 2017 begonnen, Baggerungen in der Fahrrinne und in den Uferzurücknahmen zwischen den Staustufen Schweinfurt und Ottendorf werden seit Januar 2018 ausgeführt und voraussichtlich bis 2020 abgeschlossen sein.
Das Bundesverkehrsministerium investiert hierbei zirka 14,3 Millionen Euro in die Verbreiterung und Vertiefung der Fahrrinne des Mains und in den Ausgleich der unvermeidlichen Eingriffe in die Natur. Die gesamten Ausbaumaßnahmen inklusive Brückenneubauten sollen voraussichtlich bis 2026 fertiggestellt werden. Durch die Vertiefung der Fahrrinne von 2,50 Meter auf 2,90 Meter können Güterschiffe künftig erheblich mehr Ladung transportieren. Ein Schiff von 110 Meter Länge und 11,40 Meter Breite kann nach dem Ausbau zirka 400 Tonnen, ein Schubverband von 185 Meter Länge sogar bis zu 1100 Tonnen zusätzlich laden. Dies entspricht 20 bis 55 LKW-Ladungen, die pro Schiff zusätzlich gegenüber dem jetzigen Zustand auf dem Wasser transportiert werden können. Dabei wird die Verkehrssicherheit insbesondere für die bis zu 185 Meter langen Schubverbände durch die Verbreiterung der Fahrrinne von 36 Meter auf 40 Meter in der Geraden erhöht. Diese Maßnahmen stärken die Wirtschaftlichkeit des Schiffstransports und leisten so einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Entlastung anderer Verkehrsträger.
Ingrid Rossmeier, Repräsentantin des Hafens Rotterdam für Süddeutschland, stellte die neuesten Entwicklungen am Hafen Rotterdam vor. Sie ging besonders ein auf die Ergebnisse aus dem Projekt Nextlogic, die eine zuverlässigere Planung der Binnenschifffahrt im Hafen Rotterdam ermöglichen werden. Zu den Lösungen, die in der kommenden Zeit näher ausgearbeitet werden sollen, gehören beispielsweise die Präzisierung der Informationen über den Containerstatus für alle Akteure der Lieferkette und eine Machbarkeitsuntersuchung zu Container-Abkopplungsstandorten (Overflow Hubs) im Hafen. Außerdem haben sich inzwischen 17 Partner der Informationsplattform von Nextlogic (https://www.nextlogic.nl/de/) angeschlossen, die im Sommer 2019 in Betrieb genommen wird. Die Trends und Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung verändern das Umfeld, in dem der Hafen Rotterdam und seine Kunden tätig sind. Als Partner in der Supply Chain sieht der Hafen Rotterdam bei der Digitalisierung viele Chancen. Damit kann die Wettbewerbs-position des Rotterdamer Hafens verbessert werden.
DWSV-Vorsitzender Michael Fraas dankte den Referenten und Teilnehmern für ihre wertvollen Impulse. „Es war wichtig, beim Bayerischen Verladertag Binnenschifffahrt die verladende Industrie und die Binnenschifffahrt zusammenzubringen. Um noch mehr Verlader von der Leistungsfähigkeit der Binnenschifffahrt zu überzeugen und noch mehr Güter auf die Wasserstraße zu verlagern, benötigen Schifffahrt, Häfen und verladende Wirtschaft eine planbare, verlässliche und gut ausgebaute Wasserstraßeninfrastruktur. Wir müssen nun gemeinsam unsere Stimme erheben Richtung Politik und Öffentlichkeit, um das Bewusstsein für die Binnenschifffahrt zu schärfen.“
(Beatrix Wegner)
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