Wirtschaft

Beim Viehscheid in Immenstadt im Allgäu bringen Bergbauern ihre Rinder nach einem guten Bergsommer zurück ins Tal. (Foto: dpa/Lisa Willert)

26.08.2022

Rinder von Rindviechern scheiden

Wie eine tierische Tradition unterzugehen droht

Jedes Jahr werden im europäischen Alpenraum Millionen von vegetarischen Haustieren – Rinder, Ziegen, Schafe und einige Pferde – im Frühjahr in den Dörfern der Täler gesammelt und zur gemeinsamen „Sommerfrische“ auf artenreiche Bergwiesen geführt – Alpe, Almen oder Matten genannt. Unspektakulär verläuft meist der von allen geborenen Grasfressern freudig begrüßte Almauftrieb – raus aus engen Ställen und im Frühtau hinauf in die üppige Bergwelt. Dort wohnt ja laut Jennerwein die Freiheit. Aus selbsternannten „Tierschutzkreisen“ kräht da kein zorniger Hahn und keine aufgeregte Henne gackert über die Strapazen der Vierbeiner beim Aufstieg zum Grünfutter bis in circa 2000 Meter Höhe.

Kühe als Fotomodelle missbrauchen

Alm- oder Alpwirtschaft richtet sich stets nach den Tieren. Milchvieh aller Art muss begleitet und gemolken werden. Dazu braucht es gelernte „Almöhis“, Sennerinnen und Senner, die das ganze Sommerhalbjahr auf der Alpe oder Alm auf die wertvollen „Produzenten“ aufpassen, deren Rohstoff Milch zu Butter oder Käse verarbeitet sie gleich direkt verkaufen oder ins Tal liefern.
Bewirtschaftete Almen sind das Sehnsuchtsziel echter Bergsteiger*innen, die dort übernachten wollen, aber auch amateurhafter Bergtourist*innenen. Vollbusige Sennerinnen ohne kirchliche und dörfliche Kontrolle beflügeln seit jeher die erotische Fantasie von Jägern, Dichtern und Malern. Doch Millionen von Alpintourist*innen missbrauchen Kühe gratis als Fotomodelle vor Fels und Eis. Wäre das kein Verbotsthema für Tierschützende?

Den größten Teil der Rinder auf Hochalmen macht das über ein Jahr alte Jungvieh aus, das ohne tägliche Betreuung auf Galt-(Geld-)Almen seine Gräser der Nase nach findet. Jungbullen fressen sich an Steilhängen kräftiges durchwachsenes Muskelfleisch an, um mit Tafelspitz oder Steaks Höchstpreise für ihre Bauern zu erzielen. Die Kalmen holen sich Kraft für das erste Rendezvouz mit dem (Rucksack-) Stier und ihre dann trächtigen Jahre. Auf gesonderten Ochsenweiden heilen Ex-Bullen ihre schwere Operation aus und freuen sich an kühlen Herbsttagen auf den Heimweg bergab in warme Ochsenbratereien. Alle zusammen verhindern das Verbuschen und erhalten die Kulturlandschaft. Vor Kälteeinbruch und Schneefall auf den Bergen werden überall die Tiere gesammelt, notfalls gesucht, gezählt und wenn es keine Verluste gab, prächtig geschmückt ins Tal getrieben. Jede Art von Almweidetieren hat ihre eigene hierarchische Ordnung, und wenn das Leittier nicht am schönsten für Almabtrieb und Viehscheid vor begeistertem Publikum prangen kann, ist es den ganzen Winter beleidigt. Die angegrasten Heimkehrer laufen geschmückt und freudig erregt durch die Reihen anderer Bergurlaubende und sehen, dass auch Tourist*innen wie sie als ein Rohstoff des Alpen-Tourismus „gemolken“ werden. Menschen und Tiere freuen sich.

Gut genährt zurück im Stall

Vor allem Bauern sind froh, wenn ihre wertvollen Tiere – nach Besitz voneinander geschieden – wieder gesund und gut genährt in den Stall zurückkommen. Verluste sind ihr Schaden! Nur fanatisch verbohrte „Tierschützende“ suchen Gründe zu hasserfüllten Attacken gegen jahrhundertealte, überall im Alpenraum ähnliche Bräuche beim Almabtrieb oder Viehscheid. Diese „Tierfreunde“ aus den Tälern der Ahnungslosen protestieren, weil die Wanderung ins Tal für Rinder von heute eine zu große Belastung sei.

Einige Bauern im Allgäu haben die Beschimpfungen im Netz satt und wollen ihre Tiere in Viehtransportern auf kurvigen und holprigen Bergwegen ins Tal schütteln. Gerade diese Tortour sollten jedoch echte Umwelt-, Klima-, Tier- und sonstige -schützer*innen verhindern! Denn „Viehscheid“ heißt auch: edle Rinder von zweibeinigen Rindviechern „zu scheiden“. (Hannes Burger)

 

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