Wirtschaft

Die Kernmühle in Roßtal (Landkreis Fürth): Solche alten Wasserkraftwerke würden wohl bald sterben, wenn das neue EEG laut Osterpaket käme. (Foto: Wraneschitz)

04.05.2022

Stirbt die kleine Wasserkraft?

Das Osterpaket des Bundes berücksichtigt die kleinen Anlagen nicht

Es kam kurz vor den Feiertagen: Im so genannten Osterpaket der Bundesregierung, also der geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG 2023, lagen für weite Bereiche der Ökoenergieszene sehr positive Überraschungen. Doch für die kleine Wasserkraft hatten die Koalitionsparteien so etwas wie das Ferrero-Überraschungsei im Paket versteckt. Das Ü-Ei wurde bekanntlich ebenfalls kurz vor Ostern als ungenießbar aus dem Handel genommen. Aber ob auch die Ampelkoalition das im EEG-Entwurf geplante Aus von Kleinwasserkraftwerken wieder aus dem Gesetzestext entfernt wie Ferrero die Eier? Das scheint momentan mehr als fraglich. Auch wenn sich die Länder dafür stark machen.

Die Wasserkraft-Verbände kamen sich wohl vor wie Brutvögel, denen der Kuckuck im unbeobachteten Moment ein falsches Ei ins Nest gelegt hat. Zur „größten EEG-Novelle seit zehn Jahren, blumig als Osterpaket bezeichnet gab es im März einen Referentenentwurf mit nachfolgender Verbändeanhörung“, zeichnete die Leipziger Fachanwältin Manuela Herms dieser Tage in einer Online-Pressekonferenz (PK) den Weg des EEG-Entwurfs nach. Am 6. April hatte die Regierung den daraufhin geänderten Entwurf an den Bundestag zur parlamentarischen Beratung weitergegeben. Darin: „Das Förderende für kleine Wasserkraft. Das stand nicht im Referentenentwurf“, erklärte Herms und machte damit die Erschütterung verständlich, die seither bei Betreibern spürbar ist. Und gegen die sich Energieverbänden in Bund und Ländern wehren.

Die Aufregung scheint begründet, wenn Recht würde, was uns eine Sprecherin des für Energie zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums bestätigt: „Die Förderung für modernisierte und neue Wasserkraftanlagen bis zu 500 kW wird ausgeschlossen.“ Künftig werde das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) die Stromproduktion aus Wasserkraft mitbestimmen, die sei dann „an die Einhaltung der §§ 33 bis 35 WHG gekoppelt“.

Könnte auch von Anglervereinen stammen

Was das heißt, ist in einer Antwort des für das WHG verantwortlichen Bundesumweltministeriums (BMUV) zu lesen, könnte aber auch von Anglervereinen stammen. Ein Sprecher des BMUV: „Wasserkraftanlagen stellen insbesondere für Wanderfischarten, für die die Durchgängigkeit von Gewässern für den Arterhalt aber auch für die Wiederansiedlung von wesentlicher Bedeutung ist, häufig ein nahezu unüberwindliches Hindernis dar. Viele Fische erleiden bei der Abwanderung wegen unzureichender Schutzeinrichtungen an den Turbinen schwere äußere und innere Verletzungen, oft mit Todesfolge - sie werden regelrecht „gehäckselt“. Hierbei handelt es sich auch um ein ernst zu nehmendes Tierschutzproblem.“

Für einen, der sich mit dem EEG-Gesetz aus dem FF auskennt, ist es dagegen schlichtweg „politische Willkür, dass die kleine Wasserkraft ausgeschaltet werden soll“. Hans-Josef Fell aus dem unterfränkischen Hammelburg gilt als einer der Väter des EEG 2000. Er saß damals für die Grünen im Deutschen Bundestag und ist heute Präsident der Energie-Denkfabrik Energy Watch Group. „Wir haben bewusst die positiven Wirkungen der Wasserkraft erkannt“, springt er den Wassermüllern bei. Heimische, CO2-freie Wasserkraft versorge heute etwa eine Million Menschen; bringe vor allem im Winter, wenn Sonne und Wind schwächeln, die Hauptenergiemengen ins Netz. Die Querverbaue würden vor Hochwasser schützen und für mehr Grundwasser sorgen. Das Netz werde zudem im ländlichen Raum durch viele kleine Generatoren gestützt, argumentierte Fell bei besagter PK. Und außerdem würden Techniken wie Wasserschnecken die Leistung bestehender Anlagen und gleichzeitig die gewünschte Durchgängigkeit erhöhen. „Im Parlamentarischen Verfahren müssen mutige Parlamentarier die Wasserkraftpläne zurückweisen“, setzt er die Hoffnung auf Bundestag, aber auch Bundesrat.

Landes- und Kommunalpolitiker fordern mehr

Mehr Erhalt und Ausbau auch der Kleinwasserkraft fordern im Übrigen auch Landes- und Kommunalpolitiker über Parteigrenzen hinweg. So in Bayern Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich (CSU): „Bundesminister Robert Habeck betont einerseits die Wichtigkeit von Erneuerbare-Energien-Anlagen, andererseits benachteiligt und beschädigt er die Wasserkraft-Branche. Das halte ich für paradox und nicht hinnehmbar“, sagte er kürzlich.

Bei besagter Wasserkraft-PK dabei war Prof. Martin Maslaton, Energierechtler und Sprecher des Fachausschusses Regenerative Energien (FA-RE) im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Er ging sogar weiter als die anderen und forderte „in diesem Energie-Tief die temporäre Abschaffung des Verbesserungsgebots im WHG“. Das schreibt die Erhöhung der Durchgängigkeit von Flüssen, also besonders von Querverbauen vor. „Der VDI FA-RE hat das schon vor eineinhalb Jahren einstimmig beschlossen“, so Maslaton. Und: „Das ist für uns eine Grundsatzfrage.“

An den Anlagen sind Biotope entstanden

Dann ließen sich im Übrigen allein in Sachsen etwa 38 Megawatt Zubaupotential an bestehenden Querverbauen realisieren, unterstützte Martin Richter. Am Präsidenten des Wasserkraftverbandes Mitteldeutschland scheint Besonders die Begründung zu nagen, Kleinwasserkraft füge Fischen Schaden zu. Diese Betroffenheit war ihm in jener PK am Gründonnerstag deutlich anzumerken. Sein Verband vertritt etwa 200 Mitglieder aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt. An den Anlagen, früher oft Mühlen, seien über Jahrhunderte Biotope entstanden. Zudem würden die Rechen am Einlauf „automatisch Mikroplastik verhindern. Der Zivilisationsmüll wird umweltgerecht entsorgt“, so Richter.

In sehr ruhigem Ton sprach er von durch ein Ende der EEG-Förderung „90 Prozent betroffenen Kraftwerken. Wir werden ein Anlagensterben sehen, und damit eine Stagnation der Verbesserung der Durchgängigkeit.“ Denn dann komme es zu voraussehbaren Pleiten. Weil viele im Haupterwerb betrieben würden, werde es danach „weder einen Rückbau der Anlagen noch eine ökologische Verbesserung geben“, sagte der Verbandschef voraus. Es werde also genau das Gegenteil dessen eintreten, womit die Bundesregierung ihren Osterpaket-Entwurf gegen Wasserkraftanlagen mit weniger als 500 Kilowatt (kW) Generatorleistung begründet.

Aber dringen die Verbände nicht durch, „dann bedeutet das letztlich das Aus für die kleine Wasserkraft“. Sogar Anwältin Manuela Harms wirkte trotz aller juristischer Abgeklärtheit sehr betroffen.
(Heinz Wraneschitz)

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