Wirtschaft

Muslime bestatten ihre Toten ohne Sarg, nur in Leinentücher gehüllt. (Foto: dpa/Robert Schlesinger)

21.12.2020

Streit um die Sargpflicht

Bestatterverband fordert Ende der Sonderregelung für Muslime

Die täglich steigenden Todeszahlen von an Covid-19 Infizierten sind das eine. Doch all diese Menschen müssen ja auch beerdigt werden. Das bayerische Bestattungsgewerbe sieht da große Defizite, was die Einhaltung von Hygienevorschriften betrifft. Vor allem tummelten sich auf dem Markt zu viele Anbieter ohne zertifizierte Ausbildung – also auch ohne entsprechende Qualifikation was den Umgang mit Toten betrifft, die an einer hochansteckenden Krankheit leiden. Das beklagt der Vorsitzende des Bestatterverbands Bayern, Ralf Michal. „Gerade in der jetzigen Zeit der Pandemie zeigt sich, dass wir endlich über einen vernünftig geregelten, zertifizierten Zugang zum Beruf des Bestatters verfügen müssen. Leider ist die Berufsausbildung bei der Handwerkskammer nicht verpflichtend, um tätig werden zu dürfen, sondern nur freiwillig. Der eine oder andere Mitbewerber, dem eine solche Ausbildung fehlt, weiß eben nicht, wie er mit infizierten Verstorbenen umgehen soll. Das gefährdet die Volksgesundheit massiv. Das ist erschreckend“, so der Verbandschef.

Darüber hinaus stört Michal eine Regelung, die per Landtagsbeschluss vor einem Jahr in Bayern eingeführt wurde: Muslimische Gläubige dürfen sich auch ohne Sarg, also nur in Tücher gehüllt, beisetzen lassen. „Das lässt sich unter dem Hygieneaspekt für einen Infizierten nicht mehr rechtfertigen“, schimpft Michal.  Das sei übrigens ein Fall, auf den er 2019 für seinen Verband bei der Anhörung im Landtag hingewiesen habe, als die muslimischen Verbände darauf drangen, dass diese Form der Bestattung im Freistaat erlaubt wird: „Was machen wir, wenn der Verstorbene an einer hochinfektiösen Krankheit litt und eine Pandemie herrscht. Damals wurde mir von den Befürwortern der neuen Regelung entgegengehalten: So was kommt doch so gut wie nie vor. Ein schwerer Irrtum, wie man jetzt sieht“, findet der Verbandschef.

"Der will doch nur Särge verkaufen"

Zu den entschiedensten politischen Unterstützern der neuen Regelung für Muslime gehörte damals der aus Nürnberg stammende Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen (SPD). Er spricht Ralf Michal die fachliche Kompetenz ab, über den Hygieneaspekt bei Bestattungen urteilen zu können: „Keine Ahnung, über welches Diplom er verfügt, dass er meint sich dazu äußern zu können“, spottet der türkischstämmige Parlamentarier. Das ebenfalls bei der Landtagsanhörung anwesende Münchner Gesundheitsamt jedenfalls habe keine Einwände geäußert. Nach seiner Ansicht, so Tasdelen, sei Michal nur „ein Kaufmann, der Angst hat, künftig nicht mehr genügend Särge verkaufen zu können“. Ein Sarg koste immerhin rund 3000 Euro. Die mehreren Schichten Leinentücher, in die muslimische Verstorbene gehüllt werden, würden ebenfalls eine Ansteckung verhindern, versichert Arif Tasdelen und sieht keinen Anlass, die Regelung wieder aufzuheben.

Laut Bayerischem Landesamt für Gesundheit seien „derzeit“ keine Bestattungen ohne Sarg möglich, die Regelung werde aber „gerade überarbeitet“. Bei mit Covid-19 Infizierten gelte definitiv Sargpflicht. Nur: Da nicht alle Verstorbenen entsprechend untersucht werden, lässt sich eine Infektion auch nicht in jedem Fall ausschließend. Dieses „derzeit“ des Landesamts wiederum stört Arif Tasdelen. Denn Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) verschleppe seit rund einem Jahr die rechtliche Umsetzung für die Muslime. Erst im März dieses Jahres, so der Nürnberger, habe der deshalb beim Gesundheitsministerium noch mal nachgehakt. Dass nun freilich die praktische Umsetzung der Sargpflicht ausgerechnet zu den Hochzeiten einer Pandemie kommt wäre seltsam. Und seltsamerweise gelten Bestatter – anders als etwa Klinikpersonal – bis heute nicht als systemrelevant im Sinne der Pandemie.(André Paul)

Kommentare (1)

  1. Bestatter am 06.01.2021
    Es ist schon erstaunlich, dass ein türkischstämmiger SPD-Landtagsabgeordneter sich berufen fühlt, einem deutschlandweit anerkannten Fachexperten der Bestattungsbranche die Sachkenntnis abzuerkennen. Der Landesvorsitzende des Bestatterverbandes Bayern hat seine Sachkenntnis zumindest mehrfach bei Prüfungen vor der Handwerkskammer unter Beweis gestellt. Wo hat der Landtagsabgeordnete seine Fachkenntnis erworben? Übrigens kosten Särge bei Bestattern nicht 3000 Euro sondern zwischen 450 und 4500 € - aber das nur am Rande. Der moderne Bestatter lebt von der Dienstleistung und nicht vom Handel. Er stellt sich jeden Tag neu dem Wettbewerb - und momentan mit Corona einer der größten Herausforderungen, die je an seine Berufsgruppe gestellt wurde - Danke dafür! Ein Abgeordneter des Bayerischen Landtages erhält seine Diäten - egal was er dafür leistet!
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