Die Corona-Krise trifft auch die bayerische Bauindustrie. Umsatzverluste, fehlendes Personal, stockender Materialnachschub und fehlende Schutzmasken für die Arbeiter sind nur einige Probleme, mit denen die Unternehmen derzeit zu kämpfen haben.
BSZ: Herr Schmid, wie geht es derzeit den Mitgliedsbetrieben des Bayerischen Bauindustrieverbands?
Thomas Schmid: Die Politik hat schnell und umfangreich dafür gesorgt, dass die in den Unternehmen vorhandene Liquidität dort verbleiben kann, dass Steuervorauszahlungen zurückgefordert werden können. Dazu kommen Kredite und Schutzschirme. Es hat etwas länger gedauert, bis auch bei den Arbeitszeiten mehr Flexibilität ermöglicht wurde. Denn gerade jetzt ist es doch nicht einzusehen, dass Lenk- und Arbeitszeiten an den Baumaschinen zu restriktiv gehandhabt werden.
BSZ: Sollen die Bauarbeiter jetzt Überstunden machen?
SCHMID: Es geht nicht um Mehrarbeit, sondern um Arbeit dann durchführen zu können, wenn sie anfällt. Eine uralte Forderung vieler Branchen, die für die Bauindustrie eine noch größere Bedeutung hat. Außerdem ist die Bauindustrie froh um die politische Entscheidung, dass die Baustellen weiterlaufen können. Das hilft den Unternehmen, den Beschäftigten und auch der Politik.
BSZ: Warum?
SCHMID: Nach Corona wird die Politik die Bauindustrie zum „Aufbauen“ der Konjunktur brauchen, Dann müssen die Unternehmen einsatzfähig sein. Die Politik muss um jede Branche froh sein, die für sich selber sorgen kann. Viele Leute freuen sich, wenn Baustellen weiterlaufen. Da rührt sich was, da hört und sieht man etwas. Einige haben auch bei der Polizei angerufen und gefragt: Dürfen die das? Die Münchner Polizei hat extra einen diesbezüglichen Tweet abgesetzt: Bitte nicht anrufen – der Notruf ist für Wichtigeres da.
BSZ: Wie viele Baustellen können aktuell nicht betrieben werden? Warum? Fehlen die Arbeitskräfte oder funktioniert der Materialnachschub nicht?
SCHMID: Die Zahl kennt niemand. Personal und Material sind die Engpässe. Schon vor den Grenzschließungen sind Subunternehmer „geflohen“. Die Grenzschließungen erschweren die Arbeit mit ausländischen Subunternehmen. Ein Problem sind auch die fehlenden Masken: Die Bauarbeiter bräuchten sie dringend, um sich wirksam gegen Staub und anderes zu schützen, aber es gibt kaum welche beziehungsweise nur zu horrenden Preisen. Die Hamsterkäufe zeigen ihre Folgen. Die Bauunternehmen haben zwar noch welche auf Lager, aber diese sind bald erschöpft. Nachschub ist schwer zu bekommen.
BSZ: Wie wichtig sind die Kommunen als Auftraggeber in der Corona-Krise?
SCHMID: Sehr wichtig. Sie sollten weiterbauen und planen. Die Politik denkt über Schutzschirme auch für die Kommunen nach. Gerade jetzt kann man manche Bauprojekte schneller durchziehen als normalerweise, weil zum Beispiel die Schulen zu sind, der Schulbus nicht fährt et cetera. Den Corona-Stillstand sollte man zum Bauen und Planen für die Zeit danach nutzen. Aber Weiterbauen in Corona-Zeiten bedeuten für die Bauunternehmen höhere Kosten: mehr Fahrzeuge für den Transport der Beschäftigten, mehr Unterkünfte, Hygiene und Gesundheitsschutz. Das muss auch bei Altverträgen abgegolten werden.
BSZ: Wie hoch sind die Umsatzverluste der Baubetriebe bis jetzt?
SCHMID: Dazu ist es noch zu früh, etwas zu sagen.
BSZ: Was muss die Landes- beziehungsweise Bundespolitik für die Bauwirtschaft tun?
SCHMID: Weiter bauen und planen. Die Bauwirtschaft ist als systemrelevant eingestuft, Dafür braucht sie auch die Aufträge. Ein anderes Thema ist die unzureichende Digitalisierung der Verwaltung. Nicht alle Ämter und Planer sind Homeoffice-fähig. Da ist noch ein erheblicher Verbesserungsbedarf. Die Politik sollte die Krise auch nutzen zum längst überfälligen Abbau falscher oder überholter Regelungen. So zum Beispiel endlich wegkommen von der Billigstpreisvergabe hin zur Vergabe nach Qualitätskriterien. Eine dauerhafte Änderung beim Arbeitszeitgesetz wäre auch nötig, um mehr Flexibilität in der Tages- und Wochenarbeitszeit zu erhalten. Bauen muss dann möglich sein, wenn die Witterung passt. Weiterbauen über die normale Zeit hinaus muss möglich sein, wenn es zum Beispiel Störungen gegeben hat. Man kann das Betonieren oder Asphaltieren nicht einfach um 17 Uhr einstellen.
BSZ: Wie steht es um das Thema Planungsbeschleunigung?
SCHMID: Planungsbeschleunigung und der richtige Umgang mit Einwänden und Einsprüchen stehen weiterhin auf der Tagesordnung. Es kann nicht sein, dass die Einwände immer erst bei sehr weit fortgeschrittenem Bau kommen und dann alles oder vieles neu geplant werden muss. Da muss es einen Stoppzeitpunkt geben. Wer bis dahin seinen Einwand nicht erhoben hat, sollte schweigen. Juristisch gesprochen heißt das die Wiedereinführung der materiellen Präklusion. Aber wie schon erwähnt, ist auch bei der Vergabe einiges zu tun.
BSZ: Was?
SCHMID: Mehr Nebenangebote zulassen. Nebenangebote bringen bessere Lösungen für alle. Sie nutzen die Bauerfahrung und Kreativität der Bauunternehmen. Außerdem sollte man neue Vertragsformen nutzen und wegkommen von der vorherrschenden Fach- und Teillosvergabe. Planen und Bauen gehören zusammen. Hier kann zum Beispiel der Generalunternehmer-Vertrag helfen: Ein Spezialist garantiert Termintreue und Qualität. Partnerschaftlich Bauen statt streiten wäre ebenfalls wünschenswert. Denn man kann die Kompetenz der Bauindustrie schon bei der Planung nutzen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!