Luftfracht ist auch in der Corona-Krise gefragt. Schließlich müssen Hilfsgüter und industrielle Zwischenprodukte schnell transportiert werden. So bringt zum Beispiel die Lufthansa mit Langstreckenflugzeugen vom Typ Airbus A350 derzeit zweimal täglich Schutzmaterial aus China zum Münchner Flughafen und trägt so zur Bewältigung der Corona-Krise bei. Normalerweise fliegt die Fluggesellschaft mit ihrer A350-Flotte Gäste zu Fernreisezielen in Nord- und Südamerika sowie Asien. Mit den täglichen Sondertransporten aus Peking und Shanghai kommen vor allem die dringend benötigten Schutzmasken in der bayerischen Landeshauptstadt an.
Mitarbeiter der AeroGround, der Abfertigungstochter der Flughafen München GmbH, kümmern sich am Münchner Airport um die Entladung der Langstreckenflugzeuge. Das Frachtgut wird anschließend durch von der Bundesregierung beauftrage Speditionen zu seinem finalen Bestimmungsort befördert.
Die Lufthansa setzt ab München insgesamt vier Passagierflugzeuge vom Typ Airbus A350 für den Transport der Schutzausrüstung ein, sechs weitere Flugzeuge vom Typ Airbus A330 operieren von Frankfurt aus in ähnlicher Mission. Mit den zehn Passagiermaschinen schafft Lufthansa zusätzliche Kapazitäten für den Frachttransport und erweitert so die Flotte der Lufthansa Cargo, die aus 17 reinen Frachtmaschinen besteht. Die täglichen Frachttransporte mit den Passagierjets sollen noch mindestens bis Mitte Mai fortgesetzt werden.
90 Prozent weniger Luftfracht in München
Insgesamt verzeichnet der Flughafen München laut Pressesprecher Ingo Anspach aber ein Minus von 90 Prozent bei der Luftfracht: „Das liegt daran, dass die meiste Luftfracht als sogenannte Beiladefracht in den Passagiermaschinen mitgeht.“ Da diese aber wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht fliegen, ist das Frachtaufkommen entsprechend reduziert.
Auch am Nürnberger Flughafen ist der Luftfrachtbereich eingebrochen. „Im Cargo-Bereich haben wir aktuell Corona-bedingt einen Rückgang von über 50 Prozent zu verzeichnen“, sagt Pressesprecher Jan Beinßen. Dies liegt – wie in München – hauptsächlich an der fehlenden Kapazität der Passagierflugzeuge. Außerdem hat dem Sprecher zufolge die heimische Industrie ihre Produktion teilweise stark zurückgefahren, was sich in einem geringeren Frachtaufkommen niederschlägt. Die sogenannte Expressfracht fliege zwar weiter, die Flugzeuge seien aber geringer ausgelastet, ebenfalls wegen des abnehmenden Produktionsvolumens in der Region.
Hilfstransporte wurden für Nürnberg zwar bereits angefragt, aber bislang keine durchgeführt. „Dafür haben wir vermehrt Ankünfte von Erntehelfern, die unter anderem von Eurowings und Condor eingeflogen werden“, so der Pressesprecher.
Das Luftfrachtaufkommen am Nürnberger Airport (rein geflogene Fracht ohne Trucking) ging im Jahr 2019 um 13,9 Prozent auf 7179 Tonnen zurück. Auf die Expressdienste entfielen hierbei 5804 Tonnen (-13 Prozent).
Im Moment alle Hände voll zu tun
Anders sieht das Luftfrachtaufkommen am Frankfurter Flughafen aus. „Wir sehen hier gerade Fluggesellschaften, die schon lange nicht mehr hier waren“, sagt Max Philipp Conrady, Leiter des dortigen Frachtbereichs. Er und seine Leute haben im Moment alle Hände voll zu tun. Denn während die Corona-Krise den weltweiten Passagierverkehr nahezu zum Erliegen gebracht hat, bricht die reine Frachtfliegerei derzeit Rekorde. Die transportierten Güter werden dringend gebraucht, um Menschen vor den Viren zu schützen und die unterbrochenen Produktionsketten der Industrie wieder in Schwung zu bringen.
Allerdings fehlen der Branche die Transportkapazitäten der Passagierflugzeuge, die zu normalen Zeiten rund 40 Prozent der Frachtmenge schlucken und auch in entlegenere Winkel der Weltwirtschaft fliegen. Weil in Corona-Zeiten im Luftverkehr aber nichts normal ist, zählte Frankfurt in der Woche vor Ostern 610 reine Frachtflüge, rund 200 mehr als im Jahresschnitt 2019. Unter ihnen waren Exoten wie eine Boeing 767 der US-Gesellschaft Amerijet aus Miami sowie jede Menge Passagierjets, die flugs zu Frachtern umfunktioniert worden sind. „20 Tonnen Melonen aus Martinique – das haben wir bislang auch noch nicht geflogen“, berichtet beispielsweise Condor-Sprecherin Magdalena Hauser.
Ganz ausgeglichen ist die Frachtraumbilanz aber nicht, sodass die aktuell in Frankfurt registrierte Frachtmenge im März 17,4 Prozent unter dem Vorjahreswert lag. Zum Vergleich: Die Passagierzahl ist um 62 Prozent gesunken und aktuell nahe am Nullpunkt. Laut Fraport-Mann Conrady hat die Verknappung des Frachtraums zu deutlich höheren Preisen geführt, die üblicherweise nach Volumengewicht abgerechnet werden und aktuell auf nachgefragten Verbindungen das Drei- bis Vierfache des Vorkrisen-Niveaus erreicht haben.
Frachtflüge nach China auf Vorkrisen-Niveau
Das rechnet sich auch für den Fraport-Hauptkunden Lufthansa Cargo AG. Die Logistiktochter des um Staatshilfe bangenden Konzerns hat ihre eigenen Frachtflüge nach Festland-China wieder auf Vorkrisen-Niveau aufgestockt und setzt zusätzlich noch einmal fast die gleiche Kapazität mit derzeit nicht ausgelasteten Passagiermaschinen ein. Diese fliegen auch nach München, während in Wien mehrere Boeings der Tochter Austrian Airlines auf die Frachtreise nach China gehen. Auch am zweitwichtigsten Frachtflughafen Deutschlands in Leipzig/Halle mit dem DHL-Stern sowie in Köln und am Hunsrück-Flughafen Hahn brummt das Geschäft.
Sehr viel häufiger als sonst haben die in Europa landenden Maschinen Schutzmasken und anderes medizinisches Material sowie Pharmazeutika an Bord, berichtet Fraport. Wegen des Homeoffice-Booms ist zudem die Nachfrage nach IT-Hardware deutlich gestiegen, ganze Charter-Maschinen aus China voll mit Tablets, Handys und anderen Arbeitsmaterialien landen derzeit am umschlagstärksten Frachtflughafen Europas.
Rückgänge gibt es hingegen bei Modeartikeln, die wegen der ohnehin verlorenen Saison aus Asien gar nicht mehr oder nur noch langsam per Schiff verschickt werden. In der Gegenrichtung fehlen laut Frachtbereichsleiter Conrady Maschinenteile und hochwertige Autoteile aus europäischer Produktion, die schon vor der Krise nicht mehr zu den Frachtrennern gehörten.
Bei einigen ist Kabine tabu
Die hohen Frachtraten und die globale Flaute im Passagiergeschäft haben dazu geführt, dass aktuell 22 Gesellschaften in Frankfurt ihre Passagierjets für Cargo-Flüge einsetzen. Während bei einigen die Kabine tabu ist, bauen andere wie die Lufthansa gleich die Sitze aus oder stapeln die Kartons auf den mit Schutzfolien ausgelegten Passagierbänken.
Das wiederum erfordert schwere Handarbeit, für die aber genügend professionelle Gepäckabfertiger bereitstehen, wie Conrady erzählt. Hier unterstütze auch Personal, das normalerweise im Passagierbereich zum Einsatz kommt. Immerhin müssen die Mitarbeiter die Pakete nicht einzeln vom Vorfeld die Treppen hochtragen, denn aus Zeiten des längst verblichenen Frankfurter Luftpost-Nachtsterns standen noch drei alte Förderbänder in den Hallen, die nun reaktiviert wurden.
Der Frankfurter Flughafen ist auch ein wichtiger Umschlagplatz für zahlreiche hochwertige Lebensmittel wie Fisch, Fleisch oder exotische Früchte. Kurzarbeit ist in der Cargo-City daher auch zu Corona-Zeiten weitgehend ein Fremdwort. Es gibt Zusatzschichten, und die Mitarbeiter sind engen Stamm-Teams zugeordnet, damit sie möglichst wenig Kontakt untereinander haben. Im Krankheitsfall soll so der Betrieb aufrechterhalten werden.
(rs, dpa)
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