Freiheitsliebenden Inhabern von Eigentums- oder Mietwohnungen kann kaum gefallen, was derzeit in Ausschüssen von Bundestag und Bundesrat beraten wird. Es geht um das bis Anfang April zu beschließende und im Herbst in Kraft tretende Gebäudeenergiegesetz (GEG): Die Bundesregierung plant im Zuge nationaler Umsetzung einer EU-Richtlinie (EED) zwecks „Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude“ smarte Zähler-Vorschriften zwecks Fernauslesbarkeit per Funk bei Wasser und Heizkostenverteilern. Damit dringt Mobilfunk immer stärker auch in privateste Räume vor – aus baubiologischer Sicht bedenklich.
Dem GEG-Entwurf zufolge sind Heizkosten-Verteilzähler an ungefähr allen Heizkörpern oder gegebenenfalls Wärmemengenzähler für die Fußbodenheizung in Miet- und Eigentumswohnungen vorgesehen, sofern nicht Gründe der Rentabilität dagegen sprechen. Hinzu kämen Kalt- und Warmwasserzähler in Küche und Bad. So dürften in einem mittleren Mehrfamilienhaus mit beispielsweise sechs Parteien künftig Dutzende zusätzliche digitale Zähler nebeneinander im Takt von wenigen Sekunden gepulst funken – aktiv oder im Standby-Modus. In einer 2-Zimmerwohnung kämen in der Regel vier Wasserzähler zum Funkeinsatz – und im Keller obendrein Hauskaltwasserzähler sowie smarte Stromzähler. All dies würde sich zur oft schon vorhandenen Strahlung von Funktelefonen und W-Lan-Geräten aufaddieren.
Viele Menschen ignorieren diese Strahlung pauschal, solange sie davon keine bewussten körperlichen Beschwerden bekommen und sich auch nicht mit der internationalen Wissenschaftsdiskussion befassen. Doch derzeit nimmt die Zahl der Besorgten zu – insbesondere mit Blick auf den neuen Mobilfunk-Standard 5G, vor dessen gesundheitlichem Schädigungspotential sogar die SWISS RE als einer der weltgrößten Rückversicherer warnt. In etlichen Ländern beginnt man inzwischen die Krebswarnungen ernster zu nehmen, die sich laut neueren Großstudien mit der umstrittenen Strahlung verbinden, von industrienahen Stimmen allerdings allzu gern bagatellisiert werden.
Bundesamt für Strahlenschutz warnt
Dabei warnt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) durchaus: „Personen in der Nähe von drahtlos kommunizierenden Smart Metern sind den elektromagnetischen Feldern der Geräte ausgesetzt und absorbieren einen Teil der ausgesendeten Strahlungsleistung.“ Beruhigend wird aber ergänzt, die funkenden Zähler seien ja in der Regel im Keller installiert, so dass ein großer Abstand zwischen Sender und Personen bestehe: „Mit dem Abstand zum Sender nehmen die Feldstärken schnell ab.“ Doch zum einen trifft dies gerade auf Elektrosensible nicht zu, die teilweise vor der Strahlung zum Schlafen in ihre Keller fliehen. Vor allem aber zieht dieses BfS-Argument bei funkenden Wärmekosten-Verteilzählern in keinster Weise: Sie befinden sich ja direkt in den Wohn- und Schlafzimmern!
Dem Freiburger Umweltmediziner Joachim Mutter zufolge hatten manche seiner Patienten nach dem Einbau neuer Heizungsmesszähler auf Funkbasis „vielerlei Beschwerden und Krankheiten erworben“ – selbst wenn sie nicht wussten, dass sich neue Strahlenquellen installiert wurden! Es handelt sich – so Dr. Mutter – um das „Spektrum des Mikrowel-lensyndroms: Schlaflosigkeit, Kopf- und Körperschmerzen, Herzpalpitation, Blutdruckkrisen, Schwindel, Müdigkeit, Gedächtnisschwäche, Augenbrennen, Hautbrennen, Tinni-tus, Depressionen etc. Diese wurden erst besser, nachdem die Fachfirma die elektronischen Wärmezähler demontiert und dafür wieder die alten Messröhrchen an den Heizkörpern angebracht hatte.“
Wissenschaftliche Befunde werden übersehen
Namentlich für Elektrohypersensible, die ihre Wohnungen bislang möglichst funkfrei gehalten haben, tut sich künftig eine unmenschliche Strahlen-Zumutung auf. Die verbreitete, auch behördlich gängige Meinung, es handelte sich bei ihnen nur um psychisch Gestörte, übersieht wissenschaftliche Befunde und Erklärungsmodelle, denen zufolge Mobilfunk-Strahlung keineswegs bloß Wärmewirkungen, sondern auch biologische Effekte zeitigen kann. Darüber informieren neben der Verbraucherorganisation Diagnose:Funk das Buch „Elektrosensibel“ der Ärztinnen Christine Aschermann und Cornelia Waldmann-Selsam sowie die Broschüre „Elektrohypersensibilität“ der Kompetenzinitiative e. V.
Von daher gilt es gegen die Ignoranz hinsichtlich biologischer und gesundheitlicher Auswirkungen im jetzt debattierten Gesetzesentwurf scharf zu protestieren. Es ist an der Zeit, die ökologische Wende so zu gestalten, dass sie tatsächlich umweltfreundlich ausfällt – und darum auch human gegenüber elektrosensiblen Mitmenschen. Hier geht es um die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten, die auch das Recht auf die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung umfassen. „Ein wirtschaftliches Interesse darf nicht mehr zählen als das Interesse der Menschen, körperlich unversehrt zu bleiben“, hat Professor Armin Grunwald als Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag in einem Interview unterstrichen. Zu erinnern ist in diesem Sinn an das Wort von Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahransprache: „Auch im digitalen Zeitalter hat die Technik dem Menschen zu dienen – und nicht umgekehrt. Die Würde des Menschen setzt die Grenzen, denn sie ist unantastbar.“
Gesetzentwurf erweitern
Die Politik ist deshalb aufgefordert, den bisherigen nationalen GEG-Entwurf zu erweitern um das Recht zum Widerspruch im Interesse persönlichen Daten- und Strahlenschutzes. Dies umso mehr, als das GEG auch der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung zuwiderläuft, die auf Datensparsamkeit zielt statt auf Datenmultiplikation. Dass die Grundrechte von Europäern im Zuge der Digitalisierung gewahrt bleiben müssen, entspricht auch einer aktuellen Forderung der EU-Kommission. Der anvisierte Smartmeter-Wahn darf folglich keinesfalls in der bislang diskutierten Form Gesetz werden.
Angesichts der wissenschaftlich offenen Diskussion um das biologische Schädigungspotential beim mobilen Funken und ohne angemessene Technikfolgenabschätzung wäre es ein unverantwortlicher Irrweg, Funkmesstechnik in der Wohnungswirtschaft zur gleichsam absoluten Pflicht zu erheben. Das riecht nach totalitär orientierten Maßnahmen. Dass allein wirtschaftliche Aspekte gemäß der EU-Richtlinie hier eine Ausnahme begründen sollen, ist ein unglaublicher Vorgang. Im Übrigen geht der Vorwand, dass fernablesbare Funktechnik nötig sei, um Energieeinsparungen zu ermöglichen, am Schädigungspotential der Strahlung fürs Klima vorbei: Wieviel Energie wird künftig verbraucht und in der Luft freigesetzt, wenn immer mehr Dinge funken sollen?
Die IT-Expertin Yvonne Hofstetter warnt mit Recht in ihrem neuesten Buch „Der unsichtbare Krieg“: „Denn auch die nie da gewesenen technischen Möglichkeiten der digitalen Transformation entfalten eine explosive, ordnungszersetzende Kraft.“ Ob in der öffentlichen Anhörung im Bundestag zum GEG am 4. März mit Live-Übertragung im Netz ab 11.30 Uhr noch ethisch nachdenklichere Stimmen als bisher hörbar werden?
(Werner Thiede)
Der Autor
Dr. Werner Thiede ist außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie (Dogmatik/Ethik) an der Universität Erlangen-Nürnberg, Pfarrer i.R. und Publizist (www.werner-thiede.de).
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