Wirtschaft

In Shanghai betreibt die Messe München zusammen mit der Messe Düsseldorf und der Hannover Messe das dortige Messegelände. Auf der Baumaschinenmesse Bauma China zeigen die Aussteller einfachere und robustere Maschinen, die für den dortigen Markt geeignet sind. Beim Münchner Original, der Bauma. präsentieren die Hersteller dagegen echte Weltneuheiten. (Foto: Messe München)

19.02.2016

„Zur Internationalisierung gibt es keine Alternative“

Münchens Messechef Klaus Dittrich über Auslandsmessen und was sie dem Heimatstandort bringen

Geschäfte im Ausland zu machen, wird für deutsche Messegesellschaften immer wichtiger. Das gilt auch für die Messe München. Über die Bedeutung von Messen fern der Heimat sprachen wir mit Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München. BSZ: Herr Dittrich, wie groß ist der Auslandsanteil am Umsatz der Messe München?
Dittrich: Von den rund 400 Millionen Euro Jahresumsatz, die wir 2016 machen werden, entfallen über 25 Prozent auf unsere Auslandsaktivitäten.

BSZ: Und wie sieht das bei der Konkurrenz in Frankfurt, der größten deutschen Messegesellschaft aus?
Dittrich: Dort tragen die Auslandsengagements zu zirka 35 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Also haben wir hier noch ein bisschen Arbeit vor uns.

BSZ: Um zu Frankfurt aufzuschließen?
Dittrich: Oder zu überholen. Man muss sich ja Ziele setzen.

BSZ: Begeben wir uns einmal auf Weltreise. Sie haben vor Kurzem die Türkei als wichtigen Markt für die Messe München bezeichnet. Warum?
Dittrich: Weil die Türkei den gesamten vorderen und mittleren Osten erschließt. Wenn wir dort Messen veranstalten, können Besucher aus den benachbarten Staaten bis hin nach Nordafrika problemlos einreisen.

BSZ: Ob sie nun nach Istanbul oder gleich nach München fliegen ist doch egal, oder?
Dittrich: Nein, leider nicht. Denn um nach München zu kommen, bräuchten sie ein Visum. Das benötigen sie für die Türkei nicht. Zudem spricht man in einigen Nachbarstaaten Türkisch. Deshalb ist die Türkei für uns ein so interessanter Messestandort.

BSZ: Welche Messen haben sie dort schon veranstaltet?
Dittrich: In Istanbul haben wir die Messe für Erdbebensicherheit Seismic Safety durchgeführt, weil die Region extrem Erdbeben gefährdet ist. Sie fußt auf unserer Kompetenz aus unseren in München stattfindenden Messen Bau, bauma, IFAT und ExpoReal. In Ankara haben wir eine Umweltmesse analog zu unserer IFAT veranstaltet. Die lief sehr gut und war sogar ausverkauft. Ansonsten veranstalten wir dort seit vielen Jahren die Logistikmesse logitrans.

BSZ: Wie sehen sie die Entwicklung in der Türkei vor dem Hintergrund der Anschläge in Istanbul?
Dittrich: Leider gibt es keinen sicheren Ort mehr auf der Welt. Paris und andere Orte haben gezeigt, dass die Türkei hier nicht negativ herausragt.

BSZ: In der Türkei führt die Messe München aber nicht nur Veranstaltungen durch. Das Unternehmen ist auch beratend tätig. Was machen sie da?
Dittrich: Im Stadtteil Maltipe auf der asiatischen Seite Istanbuls ist auf einem alten Militärgelände der Bau einer neuen Messe geplant. Wir sind dort beratend tätig.

BSZ: Wie groß soll dieses Messegelände werden?
Dittrich: Es sollen im ersten Bauabschnitt zwischen 80.000 und 100.000 Quadratmeter Hallenfläche entstehen. Durch den Neubau der Messegelände in München und Shanghai verfügen wir über eine ziemlich einzigartige Expertise.

BSZ: Reisen wir einmal weiter. Wie bedeutend ist Indien für die Messe München?
Dittrich: In der Hauptstadt Dehli ist ein neues Messegelände mit 100.000 bis 120.000 Quadratmeter Hallenfläche geplant. Nach dem Vorbild von Shanghai in China soll das neue Gelände in Dehli auch von Deutschen betrieben werden. Shanghai wird ja von uns gemeinsam mit der Messe Düsseldorf und der Hannover Messe betrieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Premier Mohdi haben auf der letzen Hannover Messe entsprechende Kooperationsabsichten bekräftigt.

BSZ: Und wie läuft Indien als Messemarkt?
Dittrich: Wir haben dort acht Messen, die sich gut entwickeln. Insgesamt sehen wir in Indien eine leichte Belebung.

BSZ: Wie ist denn das eigentlich mit den vielen Messen, die sie nach Münchner Vorbild auch im Ausland durchführen – züchten Sie da nicht die eigene Konkurrenz heran?
Dittrich: Nein. Die Weltleitmessen haben wir in München und das soll auch so bleiben. Nehmen wir zum Beispiel die Baumaschinenmesse Bauma, die nur alle drei Jahre in München stattfindet. Dort zeigen die Hersteller echte Weltneuheiten. Auf einer Bauma China zeigen sie einfachere, robustere Maschinen, die für den dortigen Markt geeignet sind. Insofern sind diese Auslandsableger vorwiegend nur Messen für den regionalen Markt.

BSZ: Wie kommt man auf die Idee als deutscher Messeveranstalter in China eine Baumaschinenmesse durchzuführen?
Dittrich: Die Aussteller, also unsere Kunden, sind auf uns zugekommen und haben uns gefragt, ob wir dort eine entsprechende Messe mit ähnlicher Qualität wie in München durchführen könnten. Und wir haben ja gesagt. So ist vor 15 Jahren die Bauma China entstanden. Die Rückwirkungen auf unsere Heimatmessen sind übrigens nachweisbar positiv. Hatten wir bei der bauma im Jahr 2004 lediglich acht chinesische Aussteller, sind es in diesem Jahr 350. Zudem stärken uns diese Auslandsmessen auch im Heimatmarkt gegenüber dem Wettbewerb.

BSZ:
Wie meinen Sie das?
Dittrich: Wenn wir keine bauma in China, Indien oder Südafrika durchführen, übernimmt das ein anderer Messeveranstalter – die britische Reed Gruppe zum Beispiel. Die sind auch international unterwegs. Letztlich steht am Ende auch die Marktstellung unserer Heimatmesse auf dem Spiel. Deshalb gibt es für uns zur Internationalisierung keine Alternative.

BSZ: Fürchten Sie nicht, dass durch die Konjunkturabkühlung in China auch ihr Messegeschäft leidet?
Dittrich: Die Chinesen reden mittlerweile vom „New Normal“. Was bei uns in Europa schon lange das „old normal“ ist, ist für die Chinesen jetzt das etwas langsamere Wachstum. Nach 15 bis 20 Boomjahren ist es völlig normal, dass eine gewisse Marktbereinigung stattfindet.

BSZ: Und was bedeutet das für die Messe München?
Dittrich: Das lässt uns gelassen. Wir sind dort mit einer Tochtergesellschaft mit 150 Angestellten engagiert. Im schlimmsten Fall ist das unser maximales Risiko, dass wir diese Gesellschaft schließen müssen.

BSZ: Aber Sie sind doch in Shanghai am Messegelände beteiligt.
Dittrich: Unser Investment in das dortige Messegelände ist längst refinanziert. Wir haben damals rund elf Millionen US-Dollar aus München heraus in Shanghai investiert. Der weitere Ausbau des Geländes wurde aus den jeweiligen Gewinnen finanziert. Inzwischen hat das Gelände sicher einen Wert von zwei Milliarden US-Dollar erreicht.

BSZ: Alle Hoffnungen liegen derzeit auf dem Iran. Welche Chancen ergeben sich für die Messe München dort?
Dittrich: Sehr gute, denn unsere 100-prozentige Tochtergesellschaft IMAG hat in der Hauptstadt Teheran schon 1960 die erste deutsche Messebeteiligung durchgeführt. Sie hat dort sogar Mitte der 90er Jahre eine eigene Messehalle gebaut, die sogar German Hall genannt wird. 2016 werden wir über die IMAG an sechs Messen im Iran beteiligt sein. Aber schon 2014 waren wir wieder am Start mit der Iran ConMin (Construction & Mining), einer Bau- und Bergbaumesse. Deutschland hat im Iran eine sehr hohe Reputation. Das Land hat nach der Lockerung der Sanktionen einen enormen Nachholbedarf. Davon profitieren auch wir.

BSZ: Wir reisen weiter. Wie sieht es in Afrika aus?
Dittrich: Dort sind wir sehr früh dran und müssen entsprechend Durchhaltevermögen zeigen. Derzeit führen wir eine Bauma, eine Getränketechnolgie- und eine Umweltmesse in Südafrika durch. Das reicht momentan noch, um das gesamte südliche Afrika, also alle Staaten südlich der Sahara, abzudecken. Aber wir werden mittelfristig sicher auch in Angola oder Nigeria Messen durchführen.

BSZ: Und was macht Südamerika?
Dittrich: Dort sind wir in Habachtstellung. In Brasilien kann man leider nur natinoale Messen durchführen, weil die Brasilianer Portugiesisch sprechen. Und für die anderen Spanisch-sprachigen Länder Südamerika gibt es keinen zentralen Messeort. Wir haben einmal in Chile zusammen mit US-amerikanischen Partnern eine Bauma durchgeführt. Die lief nicht schlecht. Aber man muss auch Länder in den nördlicheren Staaten wie zum Beispiel Kolumbien im Auge behalten.

BSZ: Und wie sieht es mit anderen Regionen in der Welt aus? Indonesien zum Beispiel?
Dittrich: Das hat unsere Tochtergesellschaft IMAG vor einigen Jahren versucht, war aber noch zu früh. In Russland hingegen muss man jetzt einsteigen. Die Preise sind günstig. Darum haben wir auch die größte Messe, die Baumaschinen-Messe CTT Moskau, gekauft. Aber darüber haben Sie ja schon berichtet.

BSZ:
Wenn die Veranstaltungen der Messe München im Ausland sich so gut entwickeln, hat das auch Folgen für das Messegelände in München. Es kommen immer mehr Aussteller und Besucher, weil sie auch einmal das jeweilige Original erleben wollen. Muss da nicht endlich die Verkehrsanbindung des Messegeländes verbessert werden?
Dittrich: Selbstverständlich. Darum haben wir eine neue Initiative gestartet, um im Rahmen des Schienenausbaus von München über Mühldorf nach Freilassing auch zwei eigene S-Bahngleise zu bekommen. Dann kann man einen Verschwenk bauen und das Münchner Messegelände im Norden an die S-Bahn anbinden. Entsprechende Pläne sind seit Längerem vorhanden. Jetzt geht es darum, Verbündete für dieses Vorhaben zu suchen. Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann und sein Bundeskollege Alexander Dobrindt sind schon dafür. Insofern kann man jetzt die Planungen vorantreiben.

BSZ: Aber bis das alles in fertig ist, vergehen doch mindestens zehn Jahre.
Dittrich: Schon, aber wir können nicht untätig bleiben. Auch wenn ich dann hier nicht mehr Vorsitzender der Geschäftsführung bin, braucht die Messe dennoch eine bessere ÖPNV-Anbindung. Die U-Bahn ist längst an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Deshalb haben wir auch als Messe signalisiert, dass wir uns an den Kosten für die S-Bahn beteiligen.

BSZ: Wie wollen Sie das finanzieren? Sie wollen doch auch zwei neue Hallen bauen.
Ditttrich: Ab 2018 sind wir pro Jahr um 40 Millionen Euro Zins und Tilgung entlastet, die wir derzeit für die Abfinanzierung des ersten Bauabschnitts des Münchner Messegeländes zahlen. Und 2015 haben wir zum sechsten Mal in Folge schwarze Zahlen geschrieben. Das werden wir auch 2016 schaffen. Insofern können wir uns auch an den Kosten für den S-Bahnbau beteiligen.

BSZ: Und weil das Kongressgeschäft so gut läuft, kommen auch aus diesem Bereich immer mehr Men-schen zum Münchner Messegelände. Also noch ein Argument mehr für einen S-Bahnanschluss.
Dittrich: In der Tat läuft dieses Segment bei uns sehr gut. Wir stehen zwar hier im Wettbewerb mit Metropolen wie Barcelona, Paris oder Wien. Aber große europäische Kongresse sind Wanderveranstaltungen. Darum ist es uns zum dritten Mal gelungen, den Kardiologenkongress mit über 30.000 Teilnehmern nach München zu holen. Damit ist er jetzt jedes zweite Mal in München, nachdem dazwischen eine andere Stadt bedacht wurde.

BSZ: Haben Sie überhaupt noch Kongresskapazität im Internationalen Congress Center München (ICM)?
Dittrich: Das ICM ist gut ausgelastet, vor allem in den stark nachgefragten Zeiten im Frühjahr und Herbst. Darum sind uns die beiden neuen Hallen so wichtig. Wenn diese 2018 fertig sind, können wir mehr Kongresse anbieten, da es mit diesen neuen Hallen auch ein zweites Konferenzzentrum geben wird.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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