Natur und Arten sollen in Deutschland künftig deutlich besser geschützt werden. Das sieht eine Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt vor, die das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Sie legt mehrere Naturschutzziele für das Jahr 2030 fest. Hier ein Überblick über die wichtigsten Punkte:
Dramatischer Artenverlust
Neben der Klimakrise ist der Verlust der weltweiten Artenvielfalt eine der größten Krisen unserer Zeit - allerdings ist es auch eine jener Krisen, die die Öffentlichkeit kaum wahrnimmt. Dabei schlagen Forscher seit langem Alarm. "Für eine große Zahl der Tier- und Pflanzenarten in Deutschland ist die Situation besorgniserregend", schreibt etwa die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina auf ihrer Internetseite in einem von namhaften Wissenschaftlern verfassten Dossier.
Gegensteuern will der Bund mit der Umsetzung eines Aktionsplans, der zur Strategie gehört und mehr als 200 Maßnahmen umfasst. Diese sollen bis 2027 greifen - das Jahr, in dem eine erste Umsetzungsbilanz der Strategie gezogen werden soll. Zu den Maßnahmen gehören etwa die dauerhafte Sicherung bestimmter Pflanzenarten und ein Holzeinschlag-Verbot in alten Buchenwäldern, die in Bundesbesitz sind. Auch an den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft will der Bund ran: Die Strategie sieht vor, dass dort der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent sinken soll.
Dringender Handlungsbedarf bei Wäldern, Mooren und Auen
Die Wiederherstellung von Ökosystemen ist dringend geboten. Die Strategie sieht vor, dass bis 2030 auf 20 Prozent aller deutschen Landes- und Meeresflächen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur umgesetzt werden sollen. Das betrifft vor allem Wälder, Moore und Auen, deren Zustand sich in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert hat. Dabei kommt vor allem Mooren und Wäldern als potenziellen Speichern des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) eine besondere Rolle im Kampf gegen die globale Erderwärmung zu. Auen spielen etwa als natürliche Rückhalteflächen beim Hochwasserschutz eine wichtige Rolle. "In Teilen ist die Natur schon so geschädigt, dass es nicht reicht, sie unter Schutz zu stellen. Sie muss aktiv repariert werden", heißt es dazu in einem Infopapier des Umweltministeriums. Bis 2050 soll die Wiederherstellung dann bei allen Ökosystemen, die einer Reparatur bedürfen, Pflicht sein.
Schutzgebiete: Nicht nur Prozente sind entscheidend
Für den Natur- und Artenschutz sind Schutzgebiete von großer Bedeutung. Die Strategie soll sicherstellen, dass das von der EU-Kommission ausgegebene Ziel, bis 2030 insgesamt 30 Prozent der nationalen Landes- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen, auch hierzulande erreicht wird. Deutschland sei hier auf einem guten Weg, heißt es aus dem Umweltministerium auf dpa-Anfrage. Der Kommission in Brüssel seien im März 2023 bereits 16 Prozent der Landesfläche und 43 Prozent der Meeresflächen als Schutzgebiete übermittelt worden. Bund und Länder würden aktuell weitere Gebiete auswählen. Auch wenn das Ziel bei den Meeresflächen schon prozentual übererfüllt sei, gehe es nun darum, den qualitativen Schutz in den Gebieten zu verbessern. Vorgesehen ist auch, zehn Prozent der genannten Flächen unter einen besonders strengen Schutz zu stellen - was bedeutet, dass der Mensch dort nur noch zur Wiederherstellung der Natur eingreifen darf.
Strategie zwar bindend - aber ohne Sanktionsmöglichkeiten
Monatelang war im Kabinett um die Strategie gerungen worden, da sie eine Basis zur Umsetzung internationaler Vereinbarungen legt und auch sensible Bereiche wie die Landwirtschaft betrifft. Sie ist als Strategie auch bindend für eine kommende Bundesregierung - unabhängig von einem möglichen politischen Machtwechsel im Frühjahr. Allerdings fehlen Instrumente, um eine echte Verbindlichkeit sicherzustellen - wie etwa Sanktionen, wenn gewisse Ziele nicht eingehalten werden. Das kritisieren auch Umweltverbände.
Umweltverbände sehen deutliche Schwächen
"Die größten Schwächen sind - wie bei vielen politischen Strategien - die Verbindlichkeit und Konkretheit", sagte etwa Johann Rathke, Teamleiter Biodiversitätspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der dpa. Für mehr Verbindlichkeit sollten die Ziele, die insgesamt zu begrüßen seien, aus seiner Sicht gesetzlich vorgeschrieben werden. Bei Nichterreichung sollten Gegenmaßnahmen greifen. Auch fehle eine sichere Finanzierung der Maßnahmen, sagte Rathke.
Auch Nicola Uhde, BUND-Expertin für das Thema Artenvielfalt, sieht trotz der positiven Grundausrichtung erhebliche Schwächen. Sie sei "nicht geeignet, die Ursachen des Verlustes der biologischen Vielfalt wirksam einzudämmen", sagte sie der dpa. Das liege daran, dass die "Treiber der Naturzerstörung" kaum adressiert würden. Dabei gehe es um Schlüsselsektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Infrastruktur und Verkehr. "Es reicht nicht, die Natur an einer Stelle mit viel Aufwand zu schützen und wiederherzustellen, wenn sie gleichzeitig an anderer Stelle durch Pestizide, Infrastrukturausbau und zu intensive Bewirtschaftung in rasantem Tempo zerstört wird", erklärte Uhde. (Fatima Abbas, dpa)
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